Tansania - Kenia, Juli / August 1998

Rio Rovuma

Als ich nach ca. drei Monaten Mosambik meine Reise in Richtung Norden fortsetze, steht mir schon sehr bald das erste grosse Hindernis bevor. Es gibt von Mosambik nach Tansania keine Brücke über den Grenzfluss. Ich war mir dessen bewusst, zählte aber auf etwas Glück und Einfallsreichtum gewürzt mit Risikobereitschaft und gesundem Menschenverstand. In Palma, Mosambiks nördlichstem Dorf, hört die Strasse auf. Über einen Fussweg erreicht man nach mehreren Kilometern durch den Busch das Flussufer. Meine Arme bluten vom vorbeifahren an Dornbüschen. Der Weg ist schmaler als ein halber Meter und zum Teil fast ganz zugewachsen. Der Rio Rovuma ist etwa zwanzig mal so breit wie ich dachte. Auf der Karte wirkt der Fluss keineswegs wie einer dieser Urwaldriesen und ich hatte vorher noch nie vom Rio Rovuma gehört. Man kann kaum zur anderen Seite hinüber sehen. Das Ufer ist mit Nilpferdspuren übersät. So setze ich mich erst mal ins Gras und ruhe mich etwas aus und staune über was ich sehe. Und wie das auch in den dünn besiedelten Regionen von Afrika so ist, tauchen bald die ersten Leute auf. Angelockt durch das Motorengeräusch. Da hier keine Strasse hinführt, ist die Verwunderung beim Anblick meines Motorrades gross und da sie ein wenig Geld verdienen wollen, kann ich zweifellos auf ihre Mithilfe zählen. Aber wie helfen sie mir über den Fluss? Lautlos treibt ein befahrener Einbaum Flussabwärts. Ich rufe, pfeiffe und winke ihn heran. Wir einigen uns über den Preis, ich entlade das Motorrad und zusammen heben wir, im Wasser stehend das Motorrad auf den Einbaum. Die Krokodile verscheuchen wir vorher, indem wir mit Stöcken auf die Wasseroberfläche schlagen. Das Gepäck brauchen wir um den ausgehöhlten Baumstamm auszubalancieren und mit der Wasserlinie an manchen Stellen nur 2 cm unter dem Bootsrand legen wir ab und stochern uns mit langen Stöcken vom Boden vorwärts, langsam gegen Norden. Ab und zu muss ich beide Augen schliessen, konzentriere mich auf das wesentliche, - nicht unterzugehen, und schöpfe das über den Rand geschwappte Wasser mit einer Kokosnusshälfte wieder raus. 'Versunken im Rio Rovuma' hätte der Artikel dann geheissen. Es wimmelt hier von Krokodilen und Nilpferden. Die Überfahrt dauert etwa eine Stunde. -Wunderschön in der Abenddämmerung.

Es gibt natürlich auch auf der Tansanianischen Seite keinen Autobahnanschluss. Zuerst muss ich das Immigrationsoffice finden. Zuerst muss ich bewohnte Gegend finden. Die Bootsjungs erklären mir den Weg. Dem trockenen Ausläufer des Flusses entlang fahren und im ersten Dorf fragen. Es gibt keinen Weg. Nur Flussbeet und Urwald. So komme ich also an bei ein paar Hütten und frage wo die Strasse ist. Die Hälfte der Einwohner verlässt fluchtartig und schreiend das Feld, die anderen schauen mich an als wäre ein UFO gelandet. - Keine Antwort. Schrecken in ihren Augen.

Schliesslich erblicke ich eine Fahrradspur im Sand und fahre dieser hinterher und komme auf einen immer breiter werdenden Weg und erreiche schliesslich ein Dorf. Ich bin in Tansania ! Es ist am eindunkeln. Bis zur ersten Stadt sind es etwa 50 Km. Ich fahre los. Nach etwa 20 Km, als es dunkel wird, tritt der Wackelkontakt meines Scheinwerfers wieder in Aktion. Wie immer, ausschliesslich wenn es dunkel ist. Ich entscheide mich, bei der nächsten Siedlung zu fragen, ob ich übernachten kann. Man spricht weder Englisch noch Portugiesisch. -Mit Suaheli hatte ich nicht gerechnet. Wahrscheinlich bin ich nun derjenige der dreinschaut als wäre ein UFO gelandet.

Dreiminutenzelte gehören nicht ins Repetoire der Afrikanischen Urwaldbewohner und man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Der Schlafsack wird herumgereicht und befühlt und bestaunt, dann lege ich mich Schlafen. Die Gegend ist zwar bewohnt. -Aber in jeder Hinsicht weit weg von unserer Zivilisation.

Serengeti

Per Express reise ich nach Dar Es Salaam, der Hauptstadt Tansanias und dann weiter nach Arusha, dem Touristenzentrum des Landes. Von hier aus starten Safaris in die Serengeti, in den Ngorongorokrater und auf den Kilimanjaro. Der Kilimanjaro reizt mich nicht besonders, zudem sind die Preise für dessen Besteigung astronomisch hoch. Und Berge haben wir in der Schweiz. Doch die Serengeti interessiert mich. Die Nationalparke in Tansania sind extrem teuer und mit dem Motorrad wird man nicht eingelassen, doch ein Besuch lohnt sich.

Nairobi

Von Arusha aus kann man Nairobi in einem Tag erreichen. Ich halte mich so kurz wie möglich in Nairobi auf. -Städte interessieren mich wenig. In der Stadt stosse ich auf ein Plakat worauf für ein Kamelrennen im Norden des Landes geworben wird. Kurzerhand beschliesse ich, die Fortsetzung der Reise so zu planen, dass ich zu der Zeit in dem Ort bin, wo das Rennen stattfinden sollte.

Maralal ist ein kleiner Ort in einem Naturreservat im Gebiet der Samburu. Es gibt hier täglich Zebras zu sehen, die bis an die Häuser heran kommen. Auch Gazellen und Strausse gibt es sehr viele. Nachts hört man Hyänen lachen und ab und zu das Brüllen der Löwen. Ganze Herden Zebras rauschen Nachts um das Camp, welches nur von einem Holzzaun umringt ist. Mehrere Male bin ich im Zelt vom Hufgepolter aufgewacht.

Cameltrophy

Es handelt sich bei den Rennkamelen um den Kamelus Dromedarus. Das einhöckerige Kamel, auch Dromedar genannt. Das Motorrad eignet sich natürlich bestens für die Ausschilderung der Strecke und spontan erkläre ich mich zur Mithilfe bereit.

Es gibt zwei Rennen. Eine Amateurausführung über eine Distanz von 12 Km. Die Profis müssen 42 Km absolvieren. Es gibt grosse Unterschiede unter den Kamelen und ich merke mir am Vortag zwei drei friedliche Tiere. Doch als ich am nächsten Morgen eine halbe Stunde vor dem Start mit schwerem Kopf aufwache, sind nur noch die aggressivsten dunkelfarbigen Pakistanischen Tiere verfügbar. Ich belege nur Platz 21 von 38 Gestarteten. Trotzdem aber nicht schlecht für einen Weissen.

Abends werde ich in der Campingbar zum Barmann. Leute mit Waffen werden nicht bedient. Draussen sieht es aus wie vor einer Schweizer Skihütte, nur, dass anstelle der Skier, hier Speere und Stöcke in den Ständern stehen. Es wird schwer getrunken. Ich stehe hinter der Bar mit gekauftem Samburuschmuck um Hals, Handgelenken und Hüften und komme gut zurecht mit all den Kriegern. Samburufrauen werden in Bars nicht geduldet. Nebst dem Biertrinken wird heftig Qat gekaut. Ein Gewächs, wovon die feinsten kleinen Blättchen gekaut werden, was eine berauschende Wirkung hat. Eine "Stamm"beiz im wahrsten Sinne des Wortes.

Turkana

Ich fahre weiter nach Loiyangalani an den Lake Turkana. Die Strecke führt durch sehr dünn besiedeltes Gebiet welches nur von verschiedenen Stämmen bewohnt wird. Keine Tankstellen, keine Supermärkte. Die Piste ist grob löcherig und zum Teil weggespült. Ab und zu gibt es Wasserdurchfahrten. Eine dieser Pfützen ist mehr ein kleiner See. Das Wasser wird tiefer und tiefer, die 'Bugwelle' schlägt mir über den Helm und mitten drin bleibe ich stecken, Motor aus. Ich stehe fast bis zum Bauch im Wasser. Ein Alptraum, auch für eine Yamaha. Ich stosse sie zum anderen Ufer und schon beim dritten Kick springt sie wieder an. Welch ein Glück, offenbar hatte sie noch kein Wasser angesogen.

Es wird trockener und die Landschaft geht langsam in Wüste über. Es ist heiss, es weht ein starker Wind, die Piste führt durch ein vulkanisches Gebiet, vorbei an Kratern und über Geröllbergen aus Lava und vulkanischem Gestein. Es ist Fahren wie auf Tennisbällen. Dann plötzlich sieht man den Turkanasee. Blau schimmert er zwischen den braunen und grauen Geröllbergen. Die Ufer sind trotz des überdurchschnittlich viel gefallenen Regens sehr spärlich bewachsen. Es weht ein starker Wind. Die Gegend erscheint sehr rauh. Hier leben die Turkana. Die Edelpunks Afrikas. Die Männer tragen, wenn sie verheiratet sind, eine Kopfbedeckung aus rotem Lehm worin Federn gesteckt werden. Die Frauen tragen einen Irokesenschnitt.

Wie die Samburu legen sie sehr viel Wert auf ihre Tradition. Eine ihrer Traditionen ist das Stehlen von Vieh von den Samburu, was immer wieder zu Stammeskriegen führt. Doch zur Zeit sei es ruhig hier. Etwa eine Woche verbringe ich im Zentrum der umliegenden Stämme. -Besuche einige Dörfer in der Umgebung und unterziehe mich einer Behandlung bei einem Medizinmann. Dies beinhaltet das Beantworten meiner Fragen aus der Zukunft und das Beschützen gegen das Böse. Doch ich habe ein grösseres Problem, welches auch der Medizinmann nicht zu lösen vermag:

Ersatzteileservice in eigener Regie

Die Büchse der Umlenkachse der Hinterradfederung des Motorrades ist seit einiger Zeit ziemlich ausgeschlagen. In Marsabit ist die letzte Gelegenheit vor Äthiopien, dieses Problem zu beheben und vor mir liegt ein langer anspruchsvoller Weg.

Ich entdecke ein Schild mit der Aufschrift: 'Catholic technical school' Ich klopfe auf jene Türen, bis mir irgendwo jemand öffnet: Der Pater sei leider auf Urlaub in Italien, man kann mir leider nicht weiterhelfen. Doch so leicht lasse ich mich nicht abwimmeln. Ich bleibe hartnäckig in der Tür stehen und schildere mein Problem. Ich muss eine Lagerbüchse für mein Motorrad drehen. Ich sei auch katholisch und könne die Maschinen selbst bedienen. Ausserdem sei ich Techniker und war in der Schweiz auch an einer technischen Schule. Das Blatt wendet sich: Man sucht mir das nötige Material zusammen und so stehe ich seit etwa acht Jahren zum ersten Mal wieder an einer Drehbank und drehe mein Ersatzteil.

Konvoi

Von Marsabit aus gehe ich weiter nach Norden, Richtung Äthiopien. Da es auf dieser Strecke immer wieder zu Überfällen gekommen ist, wird in Konvois gefahren. Somalische Banditen sollen über die nahgelegene Grenze gekommen sein um ihre Raubzüge zu verrichten. Doch mit dem Motorrad bin ich natürlich viel schneller als die schweren Lastwagenkonvois. Ich entscheide mich, eine Stunde später als der Konvoi loszufahren. Nach einer Stunde Fahren überhole ich den ersten Lastwagen. Er ist der hinterste des Konvois. Auf dem Dach sitzen drei bewaffnete Soldaten, einer in der Fahrerkabine und einer oben auf der Ladung. Es ist ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass nun jemand hinter mir fährt. Schliesslich überhole ich den ganzen Konvoi. Die Piste ist in desolatem Zustand. Aber sie ist trocken und mit dem Motorrad findet sich immer ein Weg zwischen den Löchern und Spurrillen durch. Die Lastwagen haben zu kämpfen. Ich durchfahre ein offenbar sehr Tierreiches Gebiet. Dik-diks rennen über die Piste, Impalas, in der Ferne wieder ein Gepard und plötzlich liegt ein riesiger Leopard vor mir. Springt auf und verzieht sich in die Büsche. Ich halte an um mir die Spuren anzusehen. Auf eindringliches Rascheln in den Büschen jedoch ziehe ich es vor, sehr zügig wieder am Gasgriff zu drehen und die Spuren zu vergessen.

Ich erreiche den Grenzposten zu Äthiopien. Hier ist die Gefahr vorüber. Es gibt endlich wieder Teerstrasse zu fahren. Äthiopische Teerstrasse. Aber nicht lange...

Paul Noy

Routenwahl:

Von Mosambik: Mocimboa da Praia
Mtwara
Nördlich, der Küste entlang nach Dar es Salaam
Moshi
Arusha
Nairobi
Lake Baringo
Eliot
Maralal
North Horr
Lake Turkana
Loiyangalani
Marsabit
Moyale (Ethiopia)

Reiseinfos

Reiseziel: Der Weg ist das Ziel. Grobe Planung: Norden.

Auenthaltsdauer: Tansania: ca. 3 Wochen Kenya: ca. 5 Wochen

Einreiseformalitäten für Tansania: Von Mosambik aus nicht zu beschaffen weil keine Botschaft vorhanden.
(Es gibt aber auch keine "normale" Verbindungsstrecke) Normaler Verkehr
fährt via Malawi.
Kenia: kein Problem. Ungültiges Carnet de passage wurde anstandslos
akzeptiert.

Geld: Travellerchecks, Cashdollars

Unterkunft: Vorsicht, wilde Tiere. Mindestens ein Zelt ist empfehlenswert. Ab und zu gibt es Campings mit richtigen Duschen.

Verpflegung: afrikanisch. Suchen und kochen.

Sprachen: Suaheli, in den Ballungszentern Englisch

Besuchte Sehenswürdigkeiten: Strände, Serengeti, Lake Manyara, Ngorongorokrater, Rift Valley, Lake Turkana, Chalbidesert

Besonderes: Gefährlich! Ausserhalb bewohnter Zonen: wilde Tiere und Stammeskriege, innerhalb bewohnter Zonen: vor allem Nairobi: sehr hohe Kriminalität.

Auskunft: Diverse Reisebüros... doch keins organisiert so gut, wie man sich selbst organisieren kann!

Reiseveranstallter, Organisation: Überlandreisen kann man auch buchen: z.B:

www.truckafrica.com

Reiseführer: lonelyplanet und FragDichDurch

Karten: Michelin, lokale