Hell-Pit <hammer-head@gmx.ch>

english version (funny translated by google)

Auszug aus dem Tagebuch No. 7:

Wie aus mir ein Terrorist wird, von Ferien von den Ferien, toten Fingernägeln und dem wilden Kanada

Montag, 13. August

Wir sind noch immer in Sturgis. Das Dorf ist zurückgekehrt zu seinem normalen Leben und kann auch wieder als solches bezeichnet werden. Unser Zeltplatz wird morgen geschlossen und kehrt bis zur nächsten Rally wieder zu seiner ursprünglichen Funktion zurück, zur Pferdeweide. Die Besitzer offerieren uns gratis ein Kabinchen und dieses Angebot nehmen wir wegen der Klimaanlage gerne an. Den Tag verbringen wir in der Bibliothek, bzw. mit administrativen Angelegenheiten. Abends wird es schon schwierig, einen Saloon zu finden, der noch was hergibt. Na gut, dann halt nicht, unsere Leber dankt.

 

Dienstag, 14. August

Der Zeltplatz schliesst und wir planen heute nach Rapid City zu fahren. Der Mount Rushmore (4 Präsidentenköpfe) ist ganz in der Nähe, also ist Rapid City ein guter Ausgangspunkt. Als wir unter der Dusche hervorkommen, sehen wir uns verdutzt an. Wir haben alle grüne Haare! Bei Guido geht der Grünton in’s kupferfarbige, ich habe einige grüne Strähnen aber bei Esthi ist es krass: Ihre Haare sind giftgrün... Wir vermuten, dass die Besitzer des Campings die Wasserleitungen für den Winter mit einem Frostschutzmittel gefüllt haben um die Leitungen zu schützen. Dummerweise haben sie vergessen uns zu informieren, wahrscheinlich weil wir die letzten sind. Super! Alles nachwaschen nützt nichts, das Grün bleibt. Wir fahren nochmals in die Bibliothek, weil wir gestern nicht ganz fertig wurden. Ich erhalte eine Email von einem Freund meines Vaters. Zsolti schreibt, dass es meinem Daddy gar nicht gut geht und er im Spital ist. Mehr erfahre ich nicht und es macht keinen Sinn anzurufen, weil zuhause mitten in der Nacht ist. Also fahren wir nach Rapid City und bekommen beim Zeltplatz wieder mal eine Demonstration der amerikanischen Naivität verpasst. Ok, dann zahlen wir halt nichts für die Übernachtung. Spät in der Nacht rufe ich Zsolti an, um mehr über meinen Dad zu erfahren. Offenbar ist er in Ungarn zwischen zwei Autos gefallen und hat sich den Kopf bös angeschlagen. Daraufhin wurde er mit dem Krankenwagen in’s Spital gebracht und lag einige Tage im Koma. Zum jetzigen Zeitpunkt geht es ihm schon etwas bessser, er kann wieder aufstehen und kurze Spaziergänge machen. Im meinem Kopf wirbelt es wie in einer Waschmaschine. Soll ich nach Hause fliegen? Soll ich hier bleiben und weiter reisen? Sehe ich meinen Vater noch mal? Kennt er mich nach dem Koma überhaupt noch? Ich zerbreche mir den Kopf und irgendwann schlafe ich dann doch noch ein.

 

Mittwoch, 15. August

Am Morgen wird erst mal Wäsche gewaschen. Noch immer will niemand vom Zeltplatz unser Geld. Wir fahren aus dem Gelände und in Richtung Mt. Rushmore aber für heute reicht es nicht mehr. Also suchen wir uns in der Nähe ein Plätzchen im Wald. Offenbar kommen viele Amis hierher um ihre Waffen auszuprobieren, rund um uns knallt und klöpft es bis es dunkel wird. Wir grillen ein paar Steaks und trinken ein paar Bierchen dazu.

 

Donnerstag, 16. August

Endlich bekommen wir den Mt. Rushmore zu sehen. Alleine der Parkplatz kostet acht Dollar, ein bisschen heftig, oder? Wir suchen entlang der Strasse ein paar gute Plätze und machen unsere Bilder.

 

 

So toll, wie wir uns die vier Herren vorgestellt haben, sind sie also nicht. Und auch nicht so imposant. Ob jetzt James Bond oder sonst wer darauf herumgeklettert ist, wir sind ziemlich enttäuscht. Einige Kilometer weiter wird ein neues Denkmal in die Felsen gebaut. Die Amis sind aber schon seit 20 Jahren am Indianerhäuptling „Crazy Horse“ auf seinem Ross und er wird einfach nicht fertig. Wahrscheinlich liegt es an der Finanzmittelbeschaffungsstrategie: Die Erstellung wird durch die Eintrittsgelder finanziert. Weil das Monument aber nicht fertig ist, geht wahrscheinlich auch niemand hin, also können wir noch mal 20 Jahre warten. Oder vielleicht liegt es ja doch am Eintrittspreis, für 27 Dollar eine halbe Statue zu sehen, macht sicher Sinn, oder? Zur Abwechslung besuchen wir einen Wildtierpark. Im Bear Country kann mit dem Auto durch die einzelnen Gehege cruisen und sich jede Menge Bären, Wölfe, Hirsche und sonst noch so Getier ansehen. Ganz nett! Wir verziehen uns wieder in unser Wäldchen. Ich habe immer noch nicht entschieden, ob ich nach Hause fliege oder nicht. Ausserdem wissen wir noch gar nicht, wo wir als nächstes hinfahren. Guido hat Alaska auf dem Plan und Esthi will mit. Mich interessiert Alaska nicht wirklich, ich möchte lieber in Kanada die Nationalparks Jasper, Banff und Glacier besuchen. Ausserdem ist Vancouver eines meiner Ziele und mit Mike und Luis haben wir ja provisorisch abgemacht. Und die Kelly-Gang wollten wir ja auch noch besuchen. Wir beschliessen, erst mal diesen Plan in die Tat umzusetzen und melden uns telefonisch bei Deb an.

 

Freitag, 17. August

Bis nach Minot, ND scheint es auf der Karte nicht sehr weit zu sein. Morgen sind wir sicher gegen Nachmittag da. Also, auf geht’s! Die Fahrerei ist extrem langweilig, es geht den ganzen Tag geradeaus und links und rechts ist ausser Feldern nichts. Nicht mal das Wetter spielt mit, es ist neblig, feucht und kühl. Am Abend landen wir in Pierre, der Hauptstadt Süd Dakotas. Im lokalen Pizza-Hut machen wir mal einen Test mit den Angestellten. Natürlich fragen sie uns, wo wir herkommen. Wir antworten: „Aus China!“ Erst grosse Augen, dann ein „Waaauuu...“ Offenbar glauben uns die Mädels. Gut, spielen wir weiter. Auf die Frage, wie wir hierher gekommen sind, antworten wir mit „zu Fuss natürlich!“ Die ganze Verarsche dauert etwa zwei Stunden und wir haben unseren Spass dabei. Naja, Spass ist wohl etwas untertrieben, wr platzen fast vor Lachen! Es würde zu lange dauern, wenn ich hier die ganze Diskussion niederschreiben würde, ich erzähle sie aber gerne persönlich. Nachdem wir alle Rätsel gelöst haben, fahren wir zurück in den State Park, in dem wir bereits das Zelt aufgeschlagen haben.

 

Samstag, 18. August

Nachts bin ich aufgewacht, weil ich irgendeinen Lärm gehört habe. Etwas metallisches hat ständig an mein Auto geschlagen. Auch nachdem ich aus den Fenstern gelugt hatte, konnte ich kein Tier sehen. Dann kann es ja auch nicht so gross gewesen sein! Als wir beim Frühstück unsere Büchse mit Schoggi-Pulver vermissen, kommt mir ein Verdacht: die Dose war doch aus Blech und wir haben sie nicht weggeräumt sondern auf dem Tisch stehen lassen. Jetzt ist sie weg! Wir suchen die nähere Umgebung ab und finden das Teil unter einem Gebüsch. Total ausgeleckt und der Deckel ist sogar zerkaut. Tja, die Schlussfolgerung sieht ganz nach einem zottligen Täter mit Pranken aus. Ein Bär! Aber einer für kleine Fälle, es war ein Waschbär. Der Park Ranger bestätigt unseren Verdacht und grinst, als wir ihm die Geschichte erzählen. „Diese Touristen lernen es wohl nie!“ denkt er sicherlich. Wir brechen aber langsam auf und bemerken gar nicht, dass wir wieder eine Zeitzone überschritten haben. Es ist wieder eine Stunde später und als wir dies feststellen, sind wir schon wieder spät dran. Und der Weg ist noch weit, weil wir uns in der Distanz auf der Karte ziemlich getäuscht haben. Von unterwegs rufen wir Debbie an und melden uns für sehr spät am Abend an. Die KTM hat schon seit einigen Tagen weder vorne noch hinten Licht und es wird langsam dunkel. Gegen 23 Uhr kommen wir endlich in Minot und bei Deb an. Sie freut sich sehr, dass wir uns nach Sturgis noch einmal sehen und hat schon die ganze Bande verständigt. Wir schieben noch ein paar Quesadillas rein und halten bei einem Liquor Store. Das Wiedersehen muss schliesslich gefeiert werden.

 

Sonntag, 19. August

Wir verbringen den Tag in der lokalen Bibliothek. Ich habe mir die letzten Tage überlegt, was ich tun soll, während Guido und Esthi in Alaska sind. In Kanada rumgondeln oder nach Hause fliegen? Ich schaue mir mal die Angebote für einen Flug nach Hause an. Der Tag vergeht wie im Flug und schon ist es fünf, die Library schliesst und ich habe noch kein vernünftiges Angebot. Gegen Abend sind wir bei Dean und Familie zum Apéro eingeladen. Auch Kelly hat seine Familie mitgebracht und Nathan ist auch da. Es gibt ein grosses Hallo und Wiedersehen und nach kürzester Zeit fahre ich mit Dean, Bier holen. Dean hat in seiner Garage drei Corvettes stehen. Er entscheidet sich für die C05, die mir sowieso am besten gefällt. Von diesem Moment an zeugen zwei schwarze Streifen von Dean’s Garagenausfahrt, dass die Kiste ordentlich Punch hat. Später gehen wir Krabben essen, ich verzichte und nehme die Muscheln. Damit das Zeug auch gut rutscht, muss der Weg in den Magen kräftig geölt werden. Mit der Minot-Gang ist das ja nichts neues, siehe die Tage in Sturgis. Nur Debbie ist daheim geblieben, sie muss morgen früh auf, die Glückliche...

 

Montag, 20. August

Guido will das Licht-Problem an der KTM lösen und zieht gegen halb neun Uhr los. Eine Stunde später kommt er zurück, er braucht das Reparatur Manual aus dem Auto. Schlaftrunken gebe ich ihm den Schlüssel und bemerke nicht, als er ihn wieder zurück bringt. Gut ausgeschlafen stehen Esthi und ich gegen Mittag auf. Beim Kaffee schaue ich mal eben aus dem Fenster und stelle fest, dass drei Polizisten um mein Auto herumschleichen. Etwas später sind sie immer noch da und haben sogar noch Verstärkung bekommen. In der Zwischenzeit sind drei Wagen, sechs Bullen und ein Schäferhund mit meinem Chevy beschäftigt. Also jetzt reicht’s mir! Ich beschliesse der Sache auf den Grund zu gehen und verlasse die Wohnung. Im Treppenhaus kommen mir schon zwei Cops entgegen und ich frage sie, wo das Problem mit meinem Auto liegt. Die Antwort haut mich fast aus den Flip-Flops, so bescheuert ist sie: „Wissen Sie, wir wurden von einem Nachbarn angerufen. Da wäre heute morgen so ein bärtiger Typ auf einem Motorrad weggefahren und sei kurze Zeit wieder zurückgekommen. Er hätte was aus dem Auto geholt und eine schwarze Tasche deponiert und daraufhin sei er wieder weggefahren. Wir haben versucht, in das Auto hineinzusehen, konnten aber nichts erkennen, weil die Scheiben so dunkel sind. Und vorne haben wir all diese Kabel gesehen und wir vermuten nun, dass es möglicherweise mit einem Terroranschlag zu tun haben könne.“ Ich schaue den Officer mit kugelrunden Augen an und frage ihn „Ist das Ihr Ernst?“ Er meint „Natürlich! Heutzutage weiss man nie und es ist schon soviel passiert, deswegen haben wir auch das K-9 hinzugerufen.“ (Anmerkung: Das K-9 Dezernat ist die Hundestaffel der Polizei, die (meist Deutschen Schäfer-)Hunde sind auf Drogen und Sprengstoff spezialisiert.) Anhand dieser sensationell haarsträubenden Erklärung beginne ich den Officer anzugrinsen und sage ihm, er solle mich doch begleiten. Wir werden der Sache jetzt gemeinsam auf den Grund gehen und alle Geheimnisse lüften. Beim Auto angekommen, zeige ich ihm, seinen Kollegen und am liebsten auch gleich dem Hund meinen Pass. Dann öffne ich die Türen hinten, mein Luftbett kommt zum Vorschein, die schwarzen Vorhänge und unsere anderen Reiseutensilien. Ich bin sonst nicht so aber diesen Moment geniesse ich in vollen Zügen. Zuletzt führe ich die Jungs nach vorne und zeige ihnen die Boxen für meinen ipod, das Ladegerät für’s Handy und den Stromgeber aus dem Zigarettenanzünder. Ich merke, dass es den Herren Polizisten richtig peinlich ist. Als Skorpion kann ich mir natürlich nicht verkneifen, noch eine Bemerkung fallen zu lassen: „Ich hoffe, Officer, dass wenn Sie jemals mein Land besuchen, als Tourist nicht dermassen defarmiert werden! Sollten Sie jemals in die Schweiz kommen, denken sie bitte an mich und geniessen unsere Gastfreundschaft. Have a nice day!”

Guido taucht etwas später wieder auf und den Nachmittag verbringen wir wieder im Internet. Ich finde einen Flug für rund 1'000 Dollar notiere mir die Details erst mal. Abends treffen wir Kelly und den ganzen Rest der Bande. Natürlich geht das nicht ohne viel Alkohol aber ich erinnere mich auch noch an das Essen. Es wird spät und Minot ist längst schlafen gegangen, als wir aus der letzten Bar schunkeln.

 

Dienstag, 21. August

Nach einem ausgiebiegen Starbuck’s Besuch sitzen wir wieder in der Bibliothek. Wir besprechen kurz die Zeitspanne und dann buche ich den Flug, den ich mir gestern notiert habe. Es scheint alles zu klappen, ich fliege am 28. August von Seattle via Dallas nach Zürich und am 25. September zurück nach Seattle. Wo ich für die Zeit meinen Chevy hinstelle, weiss ich noch nicht aber das wird sich schon noch lösen lassen. Guido’s Gotte Trudi wohnt dort und ich hoffe, wir können einen Deal machen. Die Reservation kommt prompt aber American Airlines scheint etwas länger für die Bestätigung zu brauchen. Zum Abendessen treffen sich wieder alle etwas ausserhalb Minot beim Mexikaner. Sogar Nathan’s Freundin kommt vorbei, die zwei passen zusammen, wie die Faust auf’s Auge. Aber das Essen ist fantastisch und das Restaurant macht am heutigen Abend wahrscheinlich den Umsatz des Monats. Nachdem nur wir drei und Nathan übrig sind, denn alle waren plötzlich weg, ziehen wir zu viert noch ein wenig um die Häuser aber es scheint heute nirgends so richtig was los zu sein. Auch gut, wir wollen morgen Richtung Seattle aufbrechen, schliesslich fliege ich in einer Woche und der Weg nach Seattle ist noch weit!

 

Mittwoch, 22. August

Wir verabschieden uns am Morgen von Deb und fahren noch kurz zu Kelly in’s Büro. Dort werden wir mit T-Shirts, Caps, Jacken und Sonnenbrillen eingedeckt. Kurz vor der Abfahrt schaue ich noch mal nach, ob mein Flug bestätigt wurde. Anstatt einer solchen habe ich eine Meldung erhalten, dass es mit meiner Kreditkarte ein Problem gibt und die Zahlung nicht elektronisch erfolgen kann. Ich soll entweder im nächsten Reisebüro die Zahlung vornehmen oder an einem Schalter von American Airlines. Das ist ja wieder mal super, ganz toll! Mich beschleicht ein komisches Gefühl bei der Sache aber wir wollen nicht noch mehr Zeit vergeuden und fahren los. Kaum aus Minot draussen, bläst ein starker Seitenwind. Nach 220 Meilen halten wir für eine Kaffeepause an und als wir weiterfahren wollen, macht die KTM keinen Mucks mehr, einfach tot! Einige Leute versuchen uns zu helfen aber es nützt nichts, nichts geht mehr! In Wolf Point soll es einen guten Mechaniker geben, sein Name ist Eddie Bauer, er soll aber nichts mit der Modemarke zu tun haben. Da es nur noch etwa 20 Meilen bis nach Wolf Point sind, beschliessen wir, die KTM abzuschleppen. Wenn Eddie den Fehler nicht findet, können wir sie immer noch auseinander nehmen und in mein Schlafzimmer stellen. Als wir ankommen, will Eddie gerade Feierabend machen doch sein Ehrgeiz lässt es nicht zu, dass er einen Blick auf das Problem werfen will.

 

 

Nach einiger Zeit beschliessen Esthi und ich, dass wir uns lieber um die Übernachtung kümmern sollten als nur rumzustehen. Als wir zurück kommen, ist das Problem noch immer nicht gelöst. In der Zwischenzeit haben sich Eddie’s Frau und seine Töchter eingefunden, die alle kräftig mithelfen. Zumindest konnte das Problem eingegrenzt werden, es gibt keinen Zündfunken an der Kerze. Das kann jedoch von verschiedenen Stellen herrühren, Eddie vermutet, die Zündbox ist defekt und er hat gerade keine für das LC4 Modell rumliegen... Wir beenden die Sache und lassen die KTM über Nacht in der Garage stehen.

 

Donnerstag, 23. August

Wir nehmen ein weiteres Mal die KTM auseinander und stapeln sie im Chevy. Gegen Mittag fahren wir los, unser nächstes Ziel ist der Flughafen von Glasgow, Montana. Die Landschaft scheint langweilig, wir fahren durch die Kornkammer der USA. Ich jedoch finde die endlosen Korn und Sonnenblumenfelder wunderschön und sehr malerisch. Irgendwie scheint der Himmel in Montana viel blauer als anderswo. So vergeht die Zeit und die Meilen fliegen nur so vorbei. Als wir am Flughafen in Glasgow ankommen, stelle ich enttäuscht fest, dass es hier keinen American Airlines Schalter gibt. Aber ein Reisebüro und Hoffnung keimt auf. Die nette Dame hilft mir bereitwillig, doch auch sie kann mir den Flug nicht definitiv fixieren. Wir telefonieren mit der Zentrale von AA in Texas und kommen keinen Schritt weiter. Es bleibt mir nur, weiterzufahren und es im nächsten Staat an einem anderen Flughafen zu versuchen. American Airlines fliegt nämlich nicht nach Montana...

Wir schaffen es heute noch bis Shelby, MT und finden für 35 Dollar das günstigste Motel, das wir je hatten. Guido lädt uns zum Abendessen in’s lokale Steakhouse ein, doch als wir die Preise studieren (das teuerste Steak kostet 54 Dollar!) stellen wir auf chinesisch um.

 

Freitag, 24. August

Wir fahren früh aus Shelby los, eigentlich sollte es heute bis Seattle möglich sein. In Spokane, das bereits im Staat Washington liegt, fahren wir zum Flughafen. Aber auch da werden wir enttäuscht, AA fliegt zwar hierher aber es sind lauter Codeshares mit einer kleinen Fluglinie. Also wieder kein Glück. Mir wird es immer unwohler, mein Flugdatum kommt näher und ich habe immer noch keine Gewissheit, dass ich fliegen kann. Also fahren wir weiter und ich werde das Problem später in Seattle lösen. Wir schaffen es bis nach Auburn, einem Vorort von Seattle. Heute haben wir einen neuen Rekord aufgestellt, über 700 Meilen! Es ist allerdings zu spät, der KTM Händler hat schon lange geschlossen, bis morgen also!

 

Samstag, 25. August

Zum Glück arbeiten die Mechaniker am Samstag aber die Auftragsbücher sind für heute voll. Also laden wir erst mal die KTM aus und bauen sie so zusammen, dass wir sie in die Werkstatt schieben können. Anschliessend fahren wir zum Flughafen von Seattle und ich kann endlich mein Ticket bezahlen. Allerdings nicht ohne eine Zusatzgebühr für das Ausdruckens des Flugscheins zu bezahlen, denn ich hatte ja ein E-Ticket. Ich habe keine Lust, rumzumeckern und bezahle die 15 zusätzlichen Mäuse zähneknirschend. Anschliessend machen wir uns auf den Weg zu Guido’s Gotte Trudi in Vashon Island. Dafür müssen wir die Fähre nehmen. Die vielen Autos, die in der Schlange stehen, können nicht alle nach Vashon wollen und Guido drängt sich in die Schlange. Prompt werden wir vom Security Chef wieder an’s Ende der Warteschlange geschickt.

Endlich bei Trudi und ihrem Mann Chaim angekommen, gibt’s ein herzliches Willkommen. Während wir palavern, fängt Chaim an, seine berühmte Bolognaise zu kochen. Nach dem Essen und vollen Bäuchen, muss ich zugeben, dass seine Sauce fast so gut wie meine ist. Aber eben nur fast...

 

Sonntag, 26. August

Den heutigen Tag verbringen wir auf Vashon Island. Trudi und Chaim fahren uns herum und zeigen uns die schönsten Plätze. Grundsätzlich wäre dies das erste Mal, dass wir am Meer sind. Aber es ist nicht wirklich einladend, ein Bad zu nehmen. Wir fahren weiter und gehen im Örtchen essen. Der Scampi-Advocado Salat ist ein Traum! Den Abend verbringen wir in guter Gesellschaft und ebensolchen Gesprächen.

 

Montag, 27. August

Ich packe meine Sachen. Heute werden wir nach Seattle fahren und Guido und Esthi laden mich dann am Flughafen ab. Da der Flieger sehr früh geht, habe ich ein Zimmer vorort gebucht. Ich verabschiede mich von Trudi und Chaim und verspreche, in drei Wochen wieder zu kommen. Ich schätze es sehr, dass ich den Chevy bei Ihnen stehen lassen kann. In Seattle fahren wir erst mal zum KTM Shop um zu sehen, wie’s vorwärts geht. Es mussten einige Teile im US-Headquarter in Ohio bestellt werden, morgen sind sie da und der Töff sollte dann auch fertig werden. Wir besuchen das erste Starbuck’s Coffee, hier in Seattle hat der Konzern sein Stammhaus und expandiert ja äusserst erfolgreich in die ganze Welt. Anschliessend fahren wir zu einigen Outdoor- und Campingspezialisten. Esthi braucht einen wärmeren Schlafsack für Alaska und Guido möchte ein grösseres Zelt kaufen. Die Zeit vergeht und es wird Abend, Zeit für mich, mich langsam in mein Hotel zu begeben. Der Abschied naht und wer mich kennt, weiss, dass ich Abschiede hasse. Deshalb machen wir es kurz, bis dann in Kanada... Im Zimmer angekommen, fange ich an, meine Mails abzuarbeiten. Poili ist online und wir chatten eine ganze Weile. Ausserdem hat Berni heute Geburtstag, das sms geht auch raus. Die Zeit vergeht und irgendwann stelle ich fest, dass es bereits vier Uhr morgens ist. Jetzt macht es auch keinen Sinn mehr, mich hinzulegen, in zwei Stunden muss ich los. Zu allem Unglück verpasse ich noch fast den Shuttle zum Flughafen...

 

Dienstag, 28. August

Ich komme aber rechtzeitig am Airport an und checke meinen Grümpel ein. Meine Sporttasche ist ziemlich schwer, weil ich einige Dinge von Esthi und Guido mit nach Hause nehme. Auf der Waage gibt’s keine Beanstandungen, obwohl ich damit gerechnet habe. Der Flug nach Dallas/Fort Worth dauert dreieinhalb Stunden, ich verpenne die meiste Zeit. Essen und Trinken gibt’s nur gegen cash und das wundert mich nicht im geringsten. In Dallas angekommen habe ich wieder drei Stunden Aufenthalt. Tja, dieses Mal bin ich besser vorbereitet, ich habe Streichhölzer eingesteckt und das macht mich in der Raucherlounge ziemlich beliebt. Endlich geht’s weiter, der Flug nach Zürich ist genauso langweilig, wie alle anderen Flüge.

 

Mittwoch, 29. August

Ich lande gegen 07.15 in Zürich. Wie könnte es anders sein, es pisst! Schön, wieder zuhause zu sein. Als erstes kaufe ich mir zwei Buttersilserli und fange mir den einen oder anderen seltsamen Blick ein, offenbar kann man mir den Genuss ansehen. Dann auf den nächsten Zug und in Basel angekommen geht’s mit dem Trämli nach Reinach. Noch ein paar Schritte laufen (dammi, die Tasche ist schwerer, als ich gedacht habe) und ich bin bei Muttern vor der Türe. Die Begrüssung ist herzlich und ich singe das „Happy Birthday!“. Gut, dass ich den Flug so koordiniert habe, dass ich just zu Mam’s Geburtstag zuhause auftauche.

 

 

Donnerstag, 30. August bis Montag, 24. September

Endlich zuhause! Wunderschönes Herbst-Wetter erwartet mich und ich geniesse die Zeit. Es dauert noch einige Tage bis mein Vater aus Ungarn zurück kommt. Also melde ich mich erst mal bei meinen Freunden und Kollegen. Natürlich auch gleich bei Poili, der mir ja einen Teil seiner Homepage zu Verfügung stellt. Die Abende machen Spass und wir verlieren uns in den Gesprächen und Berichten. Wir hängen im Fat Attack rum, in der Braui oder auch bei Manuela, Paul’s Nachbarin. Für die Zeit, die ich hier bin, kann ich sogar eines von Poilis Motorrädern brauchen. So cool, denn das Wetter spielt die ganze Zeit mit.

Was ich auch noch unbedingt erledigen will, ist unser kleines Grundstück im Jura etwas auf Vordermann bringen. Die Gemeinde hat offenbar reklamiert, dass die Büsche zu hoch gewachsen sind und geschnitten werden müssen. So fahre ich öfters nach Vermes (meist mit der TT, grins!) und rackere wie ein Wilder. Unsere Nachbarn, Ilse und Peter Strobel helfen kräftig mit und stellen die Gartengeräte freundlicherweise zu Verfügung. Ich habe noch nie mit einer Motorsäge gearbeitet und habe davor einen Heidenrespekt aber es macht Spass. Die Berge aus Ästen und Stämmen häufen sich immer höher und bald sieht es nicht mehr nach Garten aus, sondern eher nach Halde. Dabei habe ich ja erst angefangen. Und bald wird mir klar, dass ich einige Bäume fällen muss. Wie zum Teufel soll ich das schon wieder anstellen? Ein anderer Nachbar, der Schneider Hans, bietet mir an, die Bäume im Herbst zu fällen. Dafür behält er das Holz. Super, Problem gelöst! Ich freue mich zu sehen, dass wieder etwas Sonnenlicht auf das Grundstück fällt. Wenn ich im Mai zurückkomme, werde ich weiter im Garten arbeiten und diesen wieder in das Schmuckstück verwandeln, welches es in meiner Jugend war...

Es stehen viele Besuche bei Freunden und Bekannten an. In der kurzen Zeit, in der ich zuhause weile, wird das Ganze schon richtig stressig! Ich treffe mich mit meinem (Ex-)Team von M-real zum Abendessen, mein Nachfolger ist leider im WK aber sonst sind wir vollständig und erleben einen tollen Abend.

 

 

In der Firma ist alles beim alten und das freut mich natürlich. Eine andere Freude bereitet mir mein Menu. So etwas gibt’s in Amerika nicht und ich geniesse jeden einzelnen Bissen.

 

 

Gutes Essen zum Zweiten: Meine Mam verköstigt mich nach Strich und Faden. In den letzten Monaten habe ich es trotz Fastfood und zero Transfat geschafft, nicht zuzunehmen. Sicherlich hat das auch damit etwas zu tun, dass wir täglich unsere Übungen gemacht haben. Jeden Tag! Aber zuhause hört der fromme Wunsch auf, Mutter’s Küche ist und bleibt die beste und unschlagbar!

Gutes Essen zum Dritten: Guido und Esthi haben mir einiges für ihre Möbellager mitgegeben. Natürlich komme ich nicht umhin, nach der Ablieferung bei Lotti, Guido’s Mam, zum Mittagessen zu bleiben. So ein Ragout hätte ich drüben gerne wieder...

Gutes Essen zum Vierten: Auch im Möbellager Dottikon, wo Esthi und ich unser Hab und Gut versorgt haben, wird der Tisch gedeckt. Und zwar reichlich! Ich weiss nicht, wie es Dani geht aber mein Bauch ist so geschwollen, dass es ohne Verdauerli einfach nicht weiter gehen kann. Vielen Dank für die köstliche Schinkentorte, Susanne!

 

 

Gutes Essen zum Fünften: Unter Freunden und wahrscheinlich Tonnen von Fleisch, die wir in Form von Fondue Chinoise à discretion zu uns nehmen, endet ein weiterer wunderbarer Abend.

 

 

Wahrscheinlich denkt ihr jetzt langsam, ich hätte ausser Fressen gar nichts anderes im Sinn gehabt. Nun, doch, da war doch noch der Hauptgrund, weshalb ich für ein paar Tage Ferien von den Ferien eingegeben hatte: Mein Daddy! Endlich kam er aus Ungarn zurück und wir trafen uns gleich am nächsten Tag nach seiner Ankunft. Bei der Gelegenheit konnte ich auch endlich mal seine Freundin Anna kennenlernen, die ihn als Krankenschwester versorgt und pflegt. Ich habe mich sehr gefreut, meinen Vater zu sehen, war aber auch sehr geschockt. Wer ihn kennt (das werden die wenigsten sein), weiss, wie rüstig er war und zwar auch nach seinem 80sten Geburtstag. Durch seinen Unfall wurden jedoch einige zentrale Körperfunktionen gestört und dadurch ist er nun ein 50% Pflegefall. Er darf nicht mehr alleine Treppensteigen oder spazieren gehen. Und das was er sein ganzes Leben lang geliebt hat, das Autofahren, ist leider auch vorbei. Einerseits kamm ich kaum mitansehen, wie er jetzt im Vergleich zu früher zwäg ist, doch andererseits weiss ich ihn bei Anna in guten Händen und das beruhigt mich sehr. Dennoch habe ich Mühe, mich damit abzufinden, dass das Alter seinen Tribut zollt. Je länger ich darüber nachdenke, desto trauriger werde ich. Doch so ist das nun mal, man muss sich damit abfinden, dass das Sterben zum Leben dazugehört. Bevor mein Vater und Anna wieder nach Ungarn fahren, treffen wir uns noch einmal. Mein Dad bleibt den Winter über bei Anna. Ich hoffe sehr, dass wir uns im Frühling wieder sehen. Bei Zsolti, der die beiden hinfährt, möchte ich mich bei der Gelegenheit für seine Hilfe ganz herzlich bedanken!

 

 

Nun aber wieder zu den angenehmeren Dingen. Obwohl ich so richtig ausgebucht bin, schaffe ich es trotzdem, das Live Wire Konzert im Fribourgischen Schwarzsee auf die Liste zu nehmen. Dies zu verpassen wäre ja eh eine Sünde, also fahre ich den weiten Weg nach Murten um mich dort mit meinem alten Freund (Öl-)Guido und seiner Familie zu treffen. Mir schwant wieder schlimmes, denn jedes Mal, wenn ich mit dem Burscht um die Häuser ziehe, leide ich noch Tage später. Ich weiss ganz genau, was auf mich zukommt. Also brauche ich mich auch gar nicht dagegen zu wehren. Wie immer fängt alles ganz harmlos an...

 

 

Die Gemeinde Schwarzsee hat wahrscheinlich noch nie etwas von Live Wire gehört. Im Gegensatz zu der Vorgruppe ist das Zelt zu Beginn beinahe leer. Als die Jungs um Karin aber loslegen, dauert es nicht lange und die Country Pumpkins aus der Region lassen sich überzeugen. Nach drei Songs ist das Zelt proppenvoll, Live Wire rocken, als wäre es ihr erstes Konzert. Guido und ich grinsen uns immer wieder gegenseitig an und dann wird weitergebangt. AC/DC ist und bleibt Kult und Live Wire halten diesen am Leben. Das Bauernvolk weiss noch nicht so recht, wie ihm geschieht, als Cello zu seiner berühmten Einlage ansetzt. Guido und ich grinsen uns einmal mehr an, wir wissen, was kommt! Ich filme Cello, der die Videofunktion meines neuen Fotoapparates zweifellos nicht bemerkt hat:

 

 

Nach dem Konzert stellen wir beide beruhigt und auch etwas belustigt fest, dass Live Wire einmal mehr ihr Ziel, gewollt oder nicht, erreicht haben. In der Kirche würde man sagen: Und wieder eine Gemeinde zum richtigen Glauben bekehrt...

Langsam geht mein Ferienaufenthalt zu Ende. Drei Wochen sind einfach nicht lange genug, um sich mit allen Freunden und Bekannten zu treffen. Mit Stifu, meinem Nachfolger, der seinen WK zwischenzeitlich beendet hat, schaffen wir es, uns zu einem kurzen Lunch zu treffen. Und endlich kann ich sein neues Auto begutachten, auf das er so lange warten musste. Der Audi ist wirklich geil!

 

 

Bevor ich wieder zurückfliege, möchte ich mich bei all denen entschuldigen, für die es für ein Treffen leider nicht gereicht hat. Sorry, Leute! Aber das holen wir im Frühling nach, ok? Denjenigen, die sich für mich Zeit genommen haben, möchte ich auf diesem Weg meinen Dank ausrichten. Ein ganz besonderes Dankeschön geht an die Familie Bigler, mi Sunneblueme, alle im Mischu’s Rock&Blues, VF-Steve, Birgit, Barbarella, Poili, Monica, den Strobels, em Corinne vo Münsige und Trix!

A propos Trix: Sie ist eine gute Freundin von uns dreien und von Berufswegen für unsere Haarpracht zuständig. So wie es aussieht, wird sie in ihren Ferien nach Kanada fliegen und drei Wochen mit uns reisen. Das wird sicher witzig, ich freue mich darauf.

 

Dienstag, 25. September

Zeit, früh aufzustehen. Naja, eigentlich gehört dies nicht zu meinen favorisierten Aktivitäten aber der Flieger wartet nicht. Schon wieder naht der Abschied und schon wieder tut es verdammt weh! Dieses Mal erlebe ich keine lästige Gepäckkontrolle und die Schweiz bleibt bald hinter mir. Dafür erlebe ich in Dallas mein blaues Sicherheitswunder. Insgesamt viermal wird mein Gepäck Stück für Stück inspiziert und bis zu den Ohrenstäbchen untersucht. Das dies entsprechend Zeit in Anspruch nimmt und ich meinen Weiterflug nach Seattle verpasse, interessiert die Zöllner überhaupt nicht. Was für Arschlöcher! Und das Bündnerfleisch für Trudi und Chaim nehmen sie mir auch gleich weg. Drei Stunden später geht der nächste Vogel, natürlich komme ich in Seattle so spät an, dass keine Fähre mehr nach Vashon fährt, also übernachte ich wieder im gleichen Hotel wie vor dem Abflug.

Von Guido und Esthi vernehme ich, dass sie gerade in Whitehorse sind. Die KTM streikt mal wieder...

 

Mittwoch, 26. September

Früh morgens (schon wieder!) nehme ich das Taxi zur Fähre und setze über, Trudi holt mich ab und eröffnet mir, dass der Chevy nicht anspringt. Tolle Neuigkeiten! Sie fliegt noch heute zu einem Kongress nach Florida aber ich kann ihren Truck brauchen um mein wieder flott zu machen. Ich baue die Batterie aus und fahre zum lokalen Mechaniker, der sie gleich an die Ladestation hängt. Einige Stunden später hole ich sie wieder ab, baue sie ein und siehe da, der Chevy läuft! Den Nachmittag verbringe ich mit Auf- und Abfahren der Insel, damit die Batterie geladen wird. Mit Chaim geniesse ich den Abend und wir erzählen uns gegenseitig unsere lustigsten Jugendsünden.

 

Donnerstag, 27. September

So, heute geht’s nach Kanada. Von Seattle bis Vancouver sind es gute 4 Stunden, die Wartezeit an der Grenze nicht eingerechnet. Das Wetter lässt zu wünschen übrig, es regnet, ziemlich typisch für Seattle. An der Grenze erhalte ich ohne grosse Probleme meinen Stempel, der mir sechs Monate Aufenthalt erlaubt. Aber den Winter will ich definitiv nicht in Kanada verbringen.

 

 

In Vancouver habe ich mit Mike, den wir im Yellowstone kennengelernt haben, abgemacht. Ich habe zwar keine Ahnung, wo er wohnt aber es dauert nicht sehr lange und ich finde seine Strasse, mitten im Zentrum von Vancouver. Ich klingle aber Mike ist nicht zuhause. Ist ja klar, normale Leute arbeiten um diese Zeit ja auch. Ich hinterlasse eine Nachricht auf dem Telefonbeantworter und schlendere zum Zeitvertreib ein wenig durch die Gegend. Als es dunkel wird, kehre ich zurück und will gerade ein wenig im Tagebuch schreiben, da fällt die Autotüre aufgrund der Schräglage von alleine und mit voller Wucht zu. Und mein Mittelfinger dazwischen! Verdammte Scheisse, macht das weh! Etwas später kommt Mike um die Ecke und wir laden gemeinsam meine Sachen aus. Seine Wohnung ist kaum grösser als ein Mauseloch aber es wird schon gehen. Ich werde im Wohnbüroschlafzimmer am Boden schlafen. Das Auto parkiere ich auf Mike’s Geheiss im Schulhof der Schule, er arbeitet dort als High School Lehrer. Anschliessend gehen wir zum Abendessen in ein japanisches Lokal und essen uns durch die ganze Speisekarte. Fantastisch! Den Schlummi nehmen wir in der Bar eines riesigen, runden Hotels. Die Bar dreht sich um die eigene Achse und erlaubt einen sensationellen Blick auf Vancouver. Dann wird es Zeit zum schlafen, Mike muss ja morgen den Kids wieder etwas beibringen. Ich bekomme von ihm Aspirin, doch die sind viel schwächer als unsere und nützen so viel wie gar nichts.

 

Freitag, 28. September

Ich habe kaum geschlafen. Mein Finger hämmerte und klopfte die ganze Nacht und ist ziemlich aufgeschwollen.

 

 

Mike ist in der Schule und ich hole mir aus dem Auto Ponstan, welches wesentlich effektiver gegen sie Schmerzen hilft. Am Auto hängt ein Zettel, der besagt, dass mein Chevy abgeschleppt wird, wenn ich nicht sofort umparkiere. Nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden habe, gibt’s erst mal einen vernünftigen Kaffee. Ich geniesse das Treiben in der Sonne und stelle fest, dass es in Vancouver tatsächlich sehr viele Asiaten gibt. Mike hat mir erzählt, dass die Bevölkerung in Vancouver knapp 70% aus Asiaten besteht. Da hat er wohl recht. Trix wird am Nachmittag eintrudeln und ich mache mich langsam auf den Weg zum Flughafen. Sie kommt total foxi an, wir beschliessen, meinen Grümpel aus Mike’s Wohnung zu holen und in ein Hotel umzuziehen. Aus lauter Neugier fragen wir im Hotel Empire nach, da wo Mike und ich gestern den Schlummi genommen haben. Gar nicht mal so teuer und wir checken im 17. Stockwerk ein. Das Auto lasse ich für 20 Dollar am Tag in der Hotelgarage. Kaum im Zimmer schläft Trix schon, ich geniesse den Ausblick auf Vancouver bei Sonnenuntergang vom Balkon aus.

 

 

Am Abend gehe ich mit Mike und einer seiner zahlreichen Kolleginnen (...) an den chinesischen Nachtmarkt. Die Fressstände sind mein kleiner persönlicher Himmel, manchmal weiss ich nicht genau, was ich esse, aber es schmeckt fantastisch. Für morgen verabreden wir uns zum Brunch.

 

Samstag, 29. September

Mike holt uns an der Rezeption ab und wir fahren zu seinem Lieblingsbrunchlokal. Unterwegs treffen wir wieder eine seiner zahlreichen Kolleginnen (...), die uns Gratistickets für das Aquarium besorgt hat. Das Wetter ist typisch Herbst, es ist kühl und regnet immer wieder, nicht wirklich angenehm für eine Stadtbesichtigung. Nach vielem Hin und Her beschliessen wir, heute Abend ins Kino zu gehen. Eine weitere Kollegin von Mike (...) wird uns begleiten. Mit Alvina und Mike haben wir jedoch eine Menge Spass vor, nach und während unseren zahlreichen heissen Schoggis und Kaffees.

 

 

Sonntag, 30. September

Heute ist Vancouver Sightseeing angesagt. Mike führt uns nach Granville Island, wo sich auch der wunderschöne Stanley Park befindet. Zuvor wird aber wiederum ausgiebig gebruncht, das scheint am Wochenende so Sitte zu sein hier. Granville Island war einst die erste Anlaufstelle für die zahlreichen Einwanderer aus aller Welt, entsprechend muss es hier auch zu und her gegangen sein (siehe Film „Gangs of New York“). Vor etwa 20 Jahren hat die Stadt die Insel trocken gelegt und das heutige Viertel entwickelte sich zu einem lieblichen Touristenziel, obwohl heute mehr Einheimische vorort sind. Die zahlreichen Läden laden zum shopping ein, in einem Hutladen arbeitet eine weitere von Mike zahlreichen Kolleginnen (...), die wir natürlich mit einem Besuch beehren.

 

 

Anschliessend geht die Tour weiter, wir bestaunen die Auslagen im Food Market, wundern uns über die Preise für afrikanische Kunst und machen einen kurzen Stop in der besten Bäckerei Vancouvers. Danach geht’s weiter durch Gassen und Gänge bis wir an die Hafenanlage gelangen.

 

 

Leider hat Mike heute Abend keine Zeit für uns, er hat familiäre Verpflichtungen. Trix und ich werden uns nun das Vancouver Aquarium zu Gemüte führen. Etwas enttäuscht verlassen wir es wieder, keine Chance gegen das Aquarium in Sydney. Aber die Mütze steht mir doch wirklich gut, oder?

 

                       

Montag, 1. Oktober

Heute wollen wir nach Vancouver Island aufbrechen. Als wir gerade unsere Sachen in’s Auto laden wollen, kommt mir etwas am Auto seltsam vor. Der gesamte Inhalt der Mittelkonsole liegt auf dem Fahrersitz. So habe ich es doch gestern nicht liegen gelassen. Mir kommt ein schrecklicher Verdacht. Und tatsächlich, während der Nacht hat jemand in mein Auto eingebrochen. Unglaublich! Und das im bewachten Parkhaus des Hotels. Nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass eigentlich nur meine Bauchtasche verschwunden ist. Meine Uhr, mein i-pod, mein Ersatzhandy, alles noch da. Was war denn das für ein Trottel? Doch der Schaden ist trotzdem gross genug. In meiner „Banane“ war mein Pass, meine Ersatzkreditkarte, etwa 200 Stutz, das Geburtstagscouvert meiner Mam und sonst noch ein paar kleine aber wichtige Dinge. Was für ein Arschloch! Wenigstens den Pass hätte mir der Punk lassen können. Ich lasse die Kreditkarte sofort sperren, bis jetzt ist noch keine Buchung gemacht worden, immerhin. Anschliessend spreche ich mit dem Manager und dem Sicherheitschef. Aber es ist zum davon laufen, das Hotel lehnt sowieso jede Haftung ab und die Sicherheitsfirma will auch keine Verantwortung übernehmen, im Gegenteil, sie schieben sich den schwarzen Peter gegenseitig selbst zu. Ihr seid mir ja eine grosse Hilfe, meine Herren! Fuck you!

Mir bleibt nichts anderes übrig, als zur Polizei zu gehen. Nicht, dass die Polizei zu mir käme und den Fall aufnimmt, nein, wir müssen auf’s Zentralrevier und den Rapport dort erstellen lassen. Was steht auf den Polizeiautos immer? To protect and to serve? Ah ja… Ich fühle mich ziemlich beschissen, am liebsten würde ich alles stehen und liegen lassen und den nächsten Flieger nach Hause nehmen. Doch ohne Pass geht das ja gar nicht. Also bleibt uns nur der Weg auf den Posten und anschliessend zum Konsulat.

 

 

Nachdem endlich mein File eröffnet wurde, bekommen wir die Kopie für das Konsulat ausgehändigt. Vielleicht rahme ich den Rapport ja mal ein. Als wir das Konsulat endlich gefunden haben, sind die offiziellen Zeiten natürlich schon längst vorbei, doch wir werden trotzdem eingelassen. Gregor Fritsche ist sehr nett und zuvorkommend aber für einen Pass braucht es trotzdem Fotos, die ich natürlich noch nicht habe. Gegenüber ist ein Fotogeschäft, wir im Schnelltempo hin und ich lege 28 Dollar für vier Digitalbilder auf den Tisch. Was für ein Wucher! Herr Fritsche wartet geduldig, bis wir wieder zurück sind und verspricht uns, den Ersatzpass bis morgen Mittag fertig zu haben. Damit wäre Vancouver Island wohl für heute definitiv gestorben. Wir suchen uns ein Hotel, das sicheres Parkieren gewährt. Am besten wäre es, das Auto auf der Strasse zu parkieren, da bricht wohl kaum jemand ein. Meine Stimmung ist nach wie vor weit unter Null...

 

Dienstag, 2. Oktober

Auch heute regnet es. Das Konsulat hat mir per Mail mitgeteilt, dass der Drucker für den Pass kaputt gegangen ist. Die Teile müssen aus Bern mit Diplomatenpost geschickt und erst installiert werden, es dauert wohl ein paar Tage... Langsam fange ich an, mich zu fragen, ob sich eigentlich alles gegen mich verschworen hat?! Trotzdem packen wir zusammen und machen uns auf den Weg nach Vancouver Island. Tofino, ein kleines Fischerdorf, soll wunderschön sein. Die Fähre zur Insel kostet 69 Dollar pro Weg, nicht gerade wenig. Aber dafür hört es für einen Moment auf zu regnen und wir können zumindest einen Teil der Fahrt auf Deck verbringen. Vancouver Island ist ungefähr so gross wie die Schweiz. Aufgrund der Grösse kann man sich mit den Distanzen leicht verschätzen, vom Anlegepunkt bis Tofino sind es ungefähr 300 Kilometer quer durch die Insel. Die Fahrt ist wunderschön und erinnert sehr an zuhause. Wir fahren durch Wälder und Schluchten, über Berge und durch malerische Orte bis wir am Abend in Tofino eintrudeln.

 

 

Wir checken in einem der zahlreichen Hotels ein und buchen zwei Nächte. Zum Abendessen lassen wir uns eine Pizza kommen und sehen uns den ersten Teil unseren Lieblingsfilm an: Herr der Ringe

 

Mittwoch, 3. Oktober

Das heutige Tagesziel heisst, Tofino zu erkunden. Im Sommer wimmelt es hier von Natursüchtigen. Man kann Kajak fahren, im Regenwald wandern, Whale watching machen, Surfen, Bergsteigen, Mountain bike fahren oder einfach nur rumhängen. Aber einen vernünftigen Kaffee findet man hier offenbar nicht, ich wage es erst gar nicht, nach einem Starbucks zu fragen. Wir beschliessen, den Regenwald zu erkunden. Es gibt zwei ca. einstündige Walks, die meist über Laufstege durch den tropischen Wald führen.

 

 

Sportlich wie wir sind, machen wir gleich beide Trails. Ha! Hättet Ihr nicht gedacht, oder? In Tofino gibt es sogar einen botanischen Garten. Als wir aber den Eintrittspreis von 22 Dollar lesen, beschränken wir uns auf ein Foto.

 

 

Wird Zeit, dass wir uns zu den Stränden begeben. Die Wellen sind recht hoch und es gibt tatsächlich ein paar verrückte, die surfen. Wir schütteln nur die Köpfe, jeder, wie’s ihm beliebt. Ich hätte gerne noch einen Pullover angezogen. Es regnet immer wieder, durch die hohe Feuchtigkeit wird der Strand in Nebelschwaden getaucht.

 

 

Hier liesse es sich sicher gut ein Buch schreiben. Ach ja, ich bin ja auch schon dabei. Schlussendlich haben wir dann doch noch etwas Glück, die Sonne bricht aus den Wolken und gewährt uns einen schönen Untergang.

 

 

Zum Abendessen gibt’s wiederum eine Pizzalieferung, diesmal jedoch vom zweiten Anbieter des Dorfes. Die gestern war aber besser. Und der erste Teil von HDR auch...

 

Donnerstag, 4. Oktober

Nach dem obligaten Kaffee (oder was auch immer dies repräsentieren sollte) machen wir uns auf den Rückweg nach Vancouver. Mein Ersatzpass ist fertig, meldet Herr Fritsche. Das ging ja doch etwas schneller, als gedacht. Wir lassen das schöne Tofino hinter uns, ein letztes Foto noch.

 

 

Wieder unterschätzen wir die Distanz zur Fähre, als wir in Nanaimo eintrudeln, sind wir 20 Minuten zu spät. Also auf nach Victoria, der Hauptstad von Vancouver Island. Ich muss mächtig Gas geben, damit wir es gerade noch so schaffen. Vom Schiff aus melde ich Herrn Fritsche, dass wir unterwegs sind. Er ist normalerweise bis 18.00 Uhr im Büro, wir legen um 17.30 Uhr an, das sollte knapp reichen. Kaum auf dem Festland, stelle ich fest, dass der Tank ziemlich leer ist und wie immer, lässt sich einfach keine Tankstelle finden. Als wir dann um 18.20 vor dem Konsulatsgebäude anhalten, sind die Türen schon geschlossen. Super! Ich warte, bis jemand hinaus geht und schlüpfe ins World Trade Building. Aber wieder Pech, mit dem Lift kann jetzt nur fahren, wer eine Chipkarte hat. Es kostet mich einiges an Mühe, die koreanischen Besitzer des Kiosks zu überzeugen, dass ich dringend ihr Telefon benützen muss, doch schliesslich gelingt auch dies. Wir treffen Herrn Fritsche zur Übergabe meines neuen Passes vor dem Gebäude, ich tausche eine Tafel Migros-Schoggi ein.

 

 

Gregor (wir haben Duzis gemacht) lädt uns auf einen Anlass für gestrandete Schweizer in Vancouver ein, doch wir müssen leider ablehnen. Guido und Esthi sind bereits in Jasper und bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wir fahren heute noch bis Hope, kurz vor der Panoramastrasse zum Banff Nationalpark. Zur Abwechslung gibt’s heute mal keine Pizza aber das chinesische all-you-can-eat haut uns auch nicht gerade von den Socken.

 

Freitag, 5. Oktober

Der heutige Tag besteht praktisch nur aus Fahren. Das Ziel heisst Jasper NP und die rund 600 km bestehen vorwiegend aus einer Panoramastrasse, die an Schönheit kaum zu Überbieten ist.

 

 

In Jasper (dem Städtchen) angekommen, verschaffen wir uns erst mal eine Bleibe für die Nacht. Die preisgünstigste Variante besteht aus Etagentoilette und Zimmer ohne Fenster. Was soll’s, ist ja nur zum schlafen. Abends erkunden wir die nähere Umgebung, irgendwie sieht’s hier ähnlich aus wie in einem Skidorf in der Schweiz. So melancholisch angehaucht, geniessen Trix und ich zum Abendessen ein Käsefondue. Natürlich hält es dem Vergleich nicht stand, doch die Beiz gibt sich Mühe...

 

Samstag, 6. Oktober

Wir fahren quer durch den Jasper Nationalpark. Die Landschaft ist unglaublich schön! Wir sehen von der Tierwelt nicht sehr viel, um in dieser Hinsicht erfolgreicher zu sein, sollten wir wohl ein geführtes Trekking machen, doch uns fehlt leider die Zeit. Es geht in luftige Höhen und schon bald erreichen wir die Schneegrenze.

 

 

Einmal mehr bin ich froh, grobe Reifen zu haben. So mancher Weg, den wir gerne erkundet hätten, endet abrupt aufgrund der Strassenverhältnisse. Der Banff NP schliesst sich nahtlos an den Jasper an. Die Landschaft bleibt weiter atemberaubend und langsam geht’s wieder bergab in etwas mildere Gefilde.

 

 

Auch im Banff gibt’s ein Banff. Die Kanadier feiern ihr Thanksgiving einiges früher als die Amis und wir stellen fest, dass dies genau heute ist. Ganz Banff ist ausgebucht! Also fahren wir ein gutes Stück aus dem Park und versuchen es in einem der umliegenden Dörfer. In Canmore haben wir Erfolg und es gibt sogar ein deutsches Restaurant. Das wär’s jetzt, ein Wienerschnitzel mit Kartoffelsalat! Aber Pech gehabt, die Beiz ist heute wegen Zu geschlossen...

 

Sonntag, 7. Oktober

Trix will in Banff (der Ortschaft) shoppen und ihre Souvenirs einkaufen. Wir verbringen einen halben Tag inmitten der Menschenmassen. Bevor wir jedoch das Städtchen wieder verlassen, machen wir noch einen kurzen Abstecher zur Attraktion des Ortes.

 

 

Anschliessend geht’s wieder auf die Strasse, nach Toronto sind es noch gute 2'500 Kilometer. Wir passieren Calgary und fahren durch das schier unendliche Weideland Kanadas bis Medicine Hat.

 

Montag, 8. Oktober

Es geht die ganze Zeit geradeaus, den ganzen Tag lang. Die einzige Abwechslung besteht aus allerlei seltsamen Vehikeln, die wir überholen.

 

 

Das Wetter schlägt wieder mal um, es beginnt zu regnen und wird wieder kälter. Ich bin zum 256sten Mal froh, dass ich mich nicht für ein Motorrad entschieden habe. Die Tagesetappe endet heute in Virden. Nach Britisch Columbia und Alberta sind wir nun im Staat Sasketchewan (sprich „Sassketschuan“) angelangt.

 

Dienstag, 9. Oktober

Auch heute ist Kilometerfressen angesagt. Guido und Esthi sind gestern noch etwa 150 Kilometer vor uns gewesen, vielleicht holen wir sie heute noch ein. Ich gebe etwas mehr Gas, als erlaubt ist und prompt leuchtet der fahrende Wheinachtsbaum hinter mir auf. Die Cop Lady ist aber sehr anständig und senkt das Bussgeld von 350 Dollar auf das Minimum. Schlussendlich schulde ich dem Staat Kanada rund 57 Dollar. Spät nachts landen wir schliesslich in Upsala (gibt’s nicht auch eins in Finnland?).

 

Mittwoch, 10. Oktober

Noch etwas schlaftrunken öffne ich die Türe des Motels um zu sehen, was das Wetter macht. Die Scheiben des Chevys haben eine mitteldicke Eisschicht und da ich keinen Eiskratzer habe, lasse ich ihn einfach warmlaufen. Das machen hier eh alle so! Während ich mein italienisches Frühstück (Kaffi und e Zigi) geniesse, beobachte ich ein paar Meter weiter einen Pick-up und ein zwei Männer, die keuchend auf der Ladefläche zu arbeiten scheinen. Neugierig schlendere ich näher und dann entdecke ich endlich meinen ersten Elchhirsch.

 

 

Die Jungs auf dem Pick-up ihre liebe Mühe beim Versuch, den restlichen Teil von Mr. Moose runterzuheben. Ok, ich gebe zu, es ist schon etwas makaber, so seinen ersten Elch zu sehen. Doch es ist Jagdsaison. Für uns Schweizer ist so etwas unvorstellbar, wir haben weder die Weite des Landes noch das Aufkommen der Tiere. In USA und Kanada ist jagen etwas ganz anderes, das Land ist unglaublich gross, die Tiere zahlreich. Die Regierung muss die Jagd erlauben, so dass die Populationen nicht ausser Kontrolle geraten. Und Elchfilet soll sowieso das allerbeste Fleisch sein, das es gibt, versichern mir die beiden Jäger. Zwischenzeitlich sind auch die Scheiben abgetaut und wir fahren los. In Thunder Bay stellen wir fest, dass wir Guido und Esthi gestern dann doch überholt haben, also legen wir uns vor der Ortschaft auf die Lauer...

 

 

Das Wiedersehen ist freudig und überschwenglich, vor allem für Trix und Esthi. Die beiden Freundinnen haben sich seit Juni nicht mehr gesehen. Nach einer kurzen Pause im lokalen Starbucks planen wir heute noch bis Schreiber zu fahren. Thunder Bay liegt bereits im Staat Ontario und an den Great Lakes. Und die Lakes sind wirklich gross hier. Ein See so gross, wie das Mittelmeer! Wir sind zwar am Ende des Indian Summer aber die Farbenpracht hält nach wie vor an.

 

 

Im Motelzimmer brutzeln wir ein Käsefondue, ich möchte nicht der Gast sein, der nach uns das Zimmer erhält...

 

Donnerstag, 11. Oktober

Die heutige Etappe geht von Schreiber bis Blind River. Das Wetter hält so ziemlich alles für uns bereit, von Sonne über Regen zu Sonne und zwischendurch schneit es auch mal kräftig. Am Abend machen wir getrennten Ausgang, die Frauen haben sich sicher viel zu erzählen. Meinem Finger geht’s nach 2 Wochen nicht viel besser, wehe, ich komme irgendwo an...

 

Freitag, 12. Oktober

Endlich kommen wir in Toronto an. Ich habe sehr gemischte Gefühle, sowieso mochte ich noch nie gerne mit dem eigenen Auto in grosse Städte fahren. Da bin ich lieber Tourist und nehme den Bus. Mitten im Kuchen nehmen wir uns ein Zimmer im Days Inn, leider bekommen wir es nur für eine Nacht, danach ist es ausgebucht. Aber besser als gar nichts. Im Internet finden wir dann schon noch was für die nächsten Tage. In Südamerika hat Guido einen Typen aus der Schweiz kennengelernt, der auch die letzten Monate in Nordamerika verbracht hatte. Ganz zufällig ist er gegenwärtig in Toronto und wir treffen Werni zum Abendessen. Nachdem wir unsere Designer-Pizza begutachtet und verspeist haben, hängen wir bei ein paar Drinks ab.

 

Samstag, 13. Oktober

Kaum wach, müssen wir schon wieder an’s Einpacken denken. Via Internet finden wir zwei günstige Zimmer, die auch sehr zentral und unweit der Yonge Street befinden. Wir fahren hin und packen wieder aus. Das Zimmer ist eine Katastrophe, stinkt, hat keine Fenster und überhaupt! Ich beneide Trix, dass sie nur eine Nacht hier bleiben muss, morgen sind ihre Ferien zu Ende und sie fliegt nach Hause. Aber heute hat sie erst mal Geburtstag! Den feiern wir ausgiebig am Abend im Hard Rock Café, der „Werni aus dem Aarau“ ist auch mit von der Partie.

 

 

Sonntag, 14. Oktober

Heute ist Sonntag, also wird erst mal ausgeschlafen. Nach dem obligaten Besuch im Starbucks um die Ecke geht’s langsam Richtung Flughafen. Schon wieder ein Abschied, grrr... Hey, Trix, danke vielmals, dass Du mit uns und vor allem mit mir gereist bist! Die Abwechslung war äusserst erfrischend und hat sehr gut getan! Zurück in der Stadt trennen wir uns, ich muss für gute Freunde zuhause unbedingt die Hockey Hall of Fame besuchen. Doch ich komme spät an, so spät, dass es nicht sinnvoll ist, den Eintritt zu bezahlen. Sorry, liebe Familie Bigler, ich hoffe, die Fotos vom Gebäude und dem Foyer gefallen Euch auch ein wenig... Als Mittelpunkt und Muss in Toronto würde ich die Yonge Street bezeichnen. Entlang dieser extrem langen Strasse findet man alles, was man braucht. Und zwar wirklich alles! Aber die Yonge hat auch Charakter und schöne Ecken. Aber schaut es Euch am besten selber an:

 

 

In der nächsten Folge erzähle ich Euch von schrägen Vögeln in Cape Cod, warum Bourbon kein Whiskey ist, von weissen Pythons und Voodoo-Zauber in Louisiana...

 

See ya!

Auszug aus dem Tagebuch No. 6

Freitag, 3. August:

Endlich ist es soweit: Sturgis, Motorrad-Mekka des Westens! 10 Tage ohne Regeln, ohne Schalldämpfer, ohne Entschuldigungen... Schon während der Fahrt durch’s Städtchen verfolgen wir die Szene mit grossen Augen. Hunderte Stände mit T-Shirts, Food, Tunern, Ersatzteilen und Bars säumen die Lazalle Street. Tausende Biker, einer lauter als der andere. Und immer wieder die berühmt-berüchtigten Saloons; The Knuckle Saloon, One Eyed Jack’s, Broken Spoke und auch der berühmte Full Throttle Saloon, der von sich behauptet, die längste Theke der Welt zu besitzen. Mit Guido’s Massband werden wir das dann schon verifizieren. Obwohl die Rally noch gar nicht begonnen hat, ist die Main Street für alles andere ausser Bikes gesperrt.

 

 

Wir treiben im Verkehrsfluss bis wir durch Sturgis durch sind. Wo wohl unser Zeltplatz sein könnte? Es dauert aber nicht lange, bis wir ihn gefunden haben. Wir sind einen Tag zu früh aber das interessiert den Boss nicht. Wenn man für 7 Tage reserviert hat, kann man kommen, wann man will und so lange bleiben, wie man will. „Ok,“ sagen wir, „dann bleiben wir bis Ende Oktober“. Er grinst nur. Wir suchen uns ein Plätzchen auf der Wiese, denn etwas anderes ist es nicht. Eine riesige Graswiese, weit und breit kein Schatten, auf dem Hügel das Dusch-Häuschen und auf der anderen Seite das Party-Zelt. Wenn wir einigermassen ruhige Nächte verbringen wollen, sollten wir so weit wie möglich vom Fest-Zelt sein. Dummerweise sind wir dann aber auch mächtig weit weg von Dusche und Toilette. Egal, Schlaf ist wichtiger (Schlaf???). Kaum stehen unsere Schlafzimmer, setzen wir uns zu dritt auf die KTM und fahren in’s Apéro. Und dann nimmt das Schicksal seinen Gang: Wir sitzen noch nicht lange, da werden wir von einem Typen angequatscht. Wo wir herkommen, was wir in den Staaten sonst noch so treiben, bla, bla, bla. Bei der Hitze verdunstet das Bier unterwegs zum Magen, trotzdem wirkt es. Nathan will uns seinen Freunden vorstellen, höflich wie wir sind, lehnen wir natürlich auf keinen Fall ab. Die Truppe besteht aus zwei Mädels, Deb und Jen (Mutter und Tochter) und vier Jungs. Nathan, Dean, Sean und Kelly. Alle kommen aus North Dakota, eine gute Tagesreise von Sturgis entfernt. Die Jungs haben ihre Frauen und Freundinnen zu Hause gelassen. Ob das gut kommt? Je länger es dauert, desto mehr Flüssiges verdunstet auf dem Weg zur Blase und umso lustiger wird alles. Irgendwann sitzen wir alle in und auf Kellys Truck und fahren zum Full Throttle (was Vollgas bedeutet und nicht Volltrottel...). Die Stimmung ist der Hammer, die Umgebung grandios. Der Saloon ist gebaut wie eine Burg, rundherum die Theke, Futterstationen, Souvenirstände, Tattoo-Studios und leicht bekleidete, tanzende GoGo-Girls. Drei Bands spielen gleichzeitig, aufgrund der Grösse des Saloons stören sie sich gegenseitig überhaupt nicht. Das Einzige, was immer wieder hörbar und vor allem auch riechbar ist, sind die Burnouts. Der Rauch durchdrehender Hinterräder hüllt den ganzen Saloon ein, dann ein Knall und schon braucht’s einen neuen Reifen. Das Volk tobt und wir mittendrin...

 

 

Irgendwann geht der Schuppen aber auch zu und wir finden uns in Kellys Truck und kurz darauf auf dem Zeltplatz wieder. Träumen wir oder hat’s hier stockdichten Nebel? Wie auch immer, wir setzen uns auf die KTM und versuchen unser Zelt zu finden. Man sieht keine 10 Meter weit, wir sind in kurzer Zeit pflüdi-nass. Der Nebel ist doch echt... Und es kommt, wie’s kommen musste. Schwupp! Wir alle liegen im Dreck, die KTM auf uns. Mühsam richten wir uns auf und schaffen es gerade noch für ein Foto:

 

 

Samstag, 4. August:

Schon um 9 Uhr früh werden wir geweckt, die Nathan und Kelly sehen nach, ob wir noch leben. Wie schaffen die es bloss, dass sie so früh schon wieder fit sind? Wahrscheinlich trainieren sie einfach härter als wir... Irgendwie schaffen wir es, den Jungs beizubringen, uns doch noch bis Mittag Zeit zu geben um unseren Pegel auf Normalstatus runterzufahren. Nach 12 ist es dann sowieso unmöglich weiterzudösen, es wird einfach zu heiss. Wir begutachten unsere Klamotten nach dem Sturz, irgendwie muss eine Zementmischung im Boden gewesen sein, die Jeans lassen sich aufstellen und bleiben tatsächlich stehen. Zeit für uns, die Sanitäranlagen zu inspizieren, sie sind auch nicht besser als sonst wo. Und auch nicht schlechter aber die Dusche tut gut. Verzweifelt suchen wir Schatten, fündig werden wir aber nur im Partyzelt, na gut, dann halt ein Frühstücksbier mit viel Cola.

Am Abend fahren wir mit dem Shuttle „Da Bus“ zum Buffalo Chip und sehen uns Kenny Wayne Shepherd an. Seine Mischung aus Country und Rock sowie seine göttlichen Fähigkeiten auf der Gitarre klingen auf den Tonträger richtig klasse, live erleben wir ihn eher enttäuschend, zu selbstverliebt, zu wenig Show. Macht aber nichts, rundherum gibt’s genug verrückte Dinge zu sehen. Ständig bebt der Boden und man versteht sein eigenes Wort kaum. Aha, wieder mal ein Burnout Wettbewerb... Nach einem solchen liegt minutenlang dichter Qualm und der Gestank der verbrannten Reifen beisst in Nase und Augen. In den Bars tanzen die Go-Go Girls um die Wette, für uns Männer immer was nettes für die Augen, hö, hö! Auch hinter der Bar geben sich die Mädels mächtig Mühe, den Besuchern die Dollars aus der Tasche zu ziehen. Und es funktioniert prächtig...

 

 

Sonntag, 5. August

Den Tag geniessen wir mit süssem Nichtstun, Esthi und ich fahren mal kurz in die Stadt und sehen uns an den Ständen um. Natürlich darf auch ein Besuch beim lokalen Harley Händler nicht fehlen.

 

 

Die Hitze macht uns aber zu schaffen, weswegen wir bald wieder zum Camping zurückkehren und bei der Kelly-Gang zum Apéro landen. Es dauert auch nicht lange und die Ladefläche des Trucks wird zum Swimmingpool umgebaut und platsch, jeder liegt mal drin, ob er will oder nicht. Das Bier mischt sich langsam mit dam Poolwasser, die Stimmung ist der Hammer! Als wir alle wieder trocken sind, fahren wir downtown und es geht von vorne los. Esthi und Guido nehmen sich ein Taxi und fahren zum Konzert von Dokken und White Lion. Ich bleibe bei der Gang und wir landen in all den schummrigen Biker Clubs, wo sich die grossen MCs wie Hells Angels, Banditos und Devil’s Servants rumtreiben. Irgendwann landen wir dann wieder im Full Throttle Saloon, wo wir später auch Guido und Esthi treffen. Punkt 3Uhr morgens wird dichtgemacht, es dauert nur wenige Minuten, bis die Securities die mehr oder weniger betrunkenen nach draussen befördert haben.

 

Montag, 6. August:

Wieder erwachen wir gegen Mittag aus unserem komatösen Zustand, die Hitze nach einem Brand ist irgendwann einfach nicht mehr erträglich. Ich schwanke den Hügel zu den Duschen hoch und will einen Blick zur Kelly-Gang werfen. Sie wollten gegen frühen Nachmittag zurück nach Minot, ND fahren und sich aber vorher noch von uns verabschieden. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ihr Platz leer ist. Einfach abgehauen, das Pack! Na warte, Euch kommen wir schon noch besuchen und dann wird abgerechnet... Die kalte Dusche tut gut, hält aber nicht lange in der Sonne. Wir überlegen uns fieberhaft, wie wir Schatten produzieren können. Ausserdem haben wir kaum noch was zu trinken, also werden die Aufgaben verteilt: Esthi und Guido beschaffen ein paar Pfähle, damit wir ein Schattendach konstruieren können, ich fahre in die Stadt zum Einkaufen. Nach einigen Stunden hin und her basteln, fixieren, halten und montieren steht unsere Konstruktion.

 

 

Endlich etwas Schatten! Allerdings können wir uns nicht lange daran freuen, ein Sturm kommt auf, und zwar ein ganz mächtiger! Unsere schöne Arbeit ist innerhalb einer Minute wieder zerlegt! So eine Scheisse! Uns fliegen die Zelte anderer Besucher um die Ohren, Aufbauten werden niedergeknickt und wir versuchen die Sachen unserer Nachbarn in Sicherheit zu bringen. Sogar ein Grill macht sich selbständig und fährt wie von Geisterhand über die Wiese bis er dann endlich umkippt... Heute Abend würde Foreigner im Buffalo Chip spielen, die 54 Dollar Eintritt sind uns aber dann doch zu viel und wir landen wieder mal im Full Throttle Saloon. Hier ist die Stimmung einfach am besten und es wird kein Eintritt für Konzerte verlangt. Heute spielt eine Newcomer Band namens Black Stone Cherry. Die Jungs sind der Hammer! Natürlich kaufen wir ihre CD und wer auf saftigen und klaren Hardrock steht, sollte das auch tun! Wie immer geht im Full Throttle die Post ab, es ist schwer zu beschreiben aber wenn die Amis mal losgelassen werden, gibt’s nicht mehr viele Regeln. Je verrückter und auffälliger, desto besser!

 

 

Dienstag, 7. August:

Wieder wird geschlafen, so lange es die Sonne zulässt. Im Party-Zelt gibt’s kühle Getränke, ihr dürft drei Mal raten, welche... Bis es endlich etwas kühler wird, versuchen wir im Schatten zu bleiben. Heute Abend spielt Ted Nugent. Wer Ted kennt, weiss, das wir es hier mit einem total verrückten Kerl zu tun haben. Seit vielen Jahrzehnten auf der Bühne und heute haben wir die Gelegenheit. Ted wird allen Unkenrufen gerecht, live ist er noch verrückter als man von ihm erzählt. Die Bühnendekoration besteht aus einem einzigen Waffenarsenal: M16, Kalaschnikofs, grosskalibrige Maschinengewehre und sogar eine Kanone steht rum. Und immer wieder hört man Ted krächzen „Celebrate! Celebrate it!“

 

 

Aber auch musikalisch hat Ted einiges zu bieten, bei „Stranglehold“ flippt der Mob aus und wir mitten drin. Bei seiner Zugabe trägt Ted einen riesigen Federschmuck und hat einen Bogen. Mit diesem schiesst er einen brennenden Pfeil mitten in seine Gitarre. Tja, man kann davon halten was man will aber unter den waffengeilen Amis sitzt Ted Tugend in der ersten Reihe! Wir haben unseren Spass und torkeln irgendwann zurück auf unseren Zeltplatz.

 

Mittwoch, 8. August:

Heute steht ein weiteres Highlight an. Nein, eigentlich sogar zwei. Zum ersten spielt heute Abend Joan Jett, die mit ihrem Superhit „I love Rock ’n’ Roll“ bis heute alle möglichen Generationen zum Luftgitarre spielen bringt. Zum Zweiten wollen wir die Boss Hoss fahren. Aber erst mal zur Boss Hoss: noch keine 20 Jahre auf dem Markt und schon eine Legende! Viele Biker bekommen feuchte Hände und Adrenalinschübe, wenn man nur schon den Namen erwähnt. Dabei ist das Rezept denkbar einfach: Man nehme einen Chevy V8 Motor, baue einen Rahmen dazu, vorne und hinten ein Rad angeschraubt, fertig ist das Killerteil! Ok, man kann auch tiefer in die Details gehen: Der Anfänger wählt die 550kg schwere Einsteigerversion mit einem 350ci Motor. 350ci (cubic inch) entsprechen 5.7Liter oder 5700ccm Hubraum. Wer also ein Auto mit einem sagen wir mal 1.8Liter Motor fährt, kann sich leicht ausrechnen, dass die kleinste Boss Hoss einen dreimal grösseren Motor besitzt. Blass wird man auch, wenn man liest, dass die Einsteigerversion rund 355 PS hat! Das geht in die 911er Liga von Porsche... Aber es kommt noch dicker: die neueste Ausgabe der Boss hat einen 502ci (8.2lt) Block mit 502 PS! Man stelle sich das einmal vor, ein Motorrad mit über 500 PS!!! Obelix würde jetzt sagen: „Die spinnen, die Amis!“ Ich erinnere mich, dass es vor nicht allzu langer Zeit ein Rennen zwischen einer Boss Hoss und einem Ferrari gab. Ratet mal, wer dabei wen von hinten gesehen hat? Ciao-ciao, bella Italia… Aber genug der Höhnerei und zurück zu unserem Abenteuer. Wir also hin zum Demostand und uns die typischen US-Regeln zur Teilnahme genau angesehen.

 

 

Tja, ein Helm wird gefordert aber meiner ist zuhause in Mami’s Garage! Zum Glück werden Helme zu Verfügung gestellt. Weiter im Text, wir stellen uns brav an, füllen alle Formulare aus und schon gibt’s eine Nummer. Esthi fährt bei einem der Piloten mit. Es kribbelt schon ganz kräftig, der Puls steigt und ebenso die Nervosität. Noch einige letzte Instruktionen - da sind die Amis peinlich genau - und wir dürfen in den Park und uns eine Maschine aussuchen. Es ist mir ziemlich wurscht, welche Farbe meine Boss hat, nur endlich draufsitzen und am Gashahn drehen, bitte!

 

 

Und dann ist es soweit! Zündung an, neutraler Gang rein (die Boss hat ein 2-Gang Automatikgetriebe), Starter gedrückt und die Gänsehaut geht ihren Weg. Der Sound ist unglaublich, wer die Muscle Cars 70er kennt, kennt das tiefe Grollen eines V8ers. Die Musik der Boss ist einen Tick aggressiver aber meine Nackenhaare erfahren den Viagra-Effekt. Nur schon das „Gäsele“ ist der Hammer! Und dann geht’s auf die Strasse, beim Anfahren erschrecke ich, weil man das Gefühl bekommt, die Boss fällt gleich auf die linke Seite. Aber so ist das nun mal bei dem Teil! Und dann rollt sie und alles ist gut. Ich bin die Nummer drei in der Kolonne, Guido fährt hinter mir. Ich schaue in den Spiegel, Guido fummelt etwas an der Kamera. Gut, ich kann mich auf der langen Geraden zurück fallen lassen. Bei 25 Meilen will ich’s wissen: Vollgas... Verdammte Scheisse!!! Nur mit Mühe kann ich mit dem Oberkörper gegen die Beschleunigung drücken, zum Glück halten mich meine Hände am Lenker fest! Boah, geeeeeiiiiiiiiiiiilll! Gleich noch mal, he, he! Es ist einfach unbeschreiblich, wie diese Rakete abgeht. In drei Sekunden von 25 Meilen (40 km/h) auf 110 (170 km/h)! Aber schon drehen wir wieder um und fahren zurück zum Stand. Viel zu kurz, der Spass, das müssen wir unbedingt noch einmal machen!

Wir kommen uns vor wie kleine Kinder an Weihnachten, Freude herrscht! Und dann entdecke ich noch ein anderes, ziemlich ulkiges Gefährt. Die Ingenieure haben noch eine weitere Idee gehabt: Die Hoss Fly, die Fliege! Oh, Mann! Auch dieses Teil hat 355 PS und ich bin überzeugt, dass ich beim Gasgeben sofort einen Salto machen würde! Trotzdem nehme auf dem Barhocker Platz und stelle mir vor, wie es wohl wäre mit der Fliege am Donnerstag in Trimbach aufzutauchen...

 

 

Ich bin so richtig in meinen Fantasien versunken, da springt die Fliege plötzlich an und zu Tode erschrocken bringe ich mich in Sicherheit. Die Jungs vom Stand krümmen sich vor Lachen, sie haben per Fernbedienung die Fliege gezündet! Ha, ha, sehr lustig... Joan Jett’s Vorstellung am Abend ist ganz ok, schliesslich ist sie ja auch nicht mehr die Jüngste.

 

 

Doch sie scheint erkältet und gar nicht gut drauf. Ständig scheisst sie ihre Blackhearts zusammen und irgendwann kommt eine gewünschte Gitarre nicht rechtzeitig. Also müssen sie das Programm umstellen und Joan ist richtig Scheisse drauf. Der arme Keyboarder kriegt am meisten Fett ab. Trotzdem freuen wir uns, sie wenigstens einmal im Leben gesehen zu haben. „Crimson and Glover“ und „I hate myself for loving you“ kommen fehlerfrei im Publikum an, doch nach genau 90 Minuten ist das Spektakel zu Ende. Schade! Wir verschieben uns wieder in unsere Stammkneipe, in’s Full Throttle. Ein paar Bierchen an der Bar können ja nicht schaden. Die Leuchtreklame kündet für Morgen Jackyl an. Jackyl ist in Europa eher unter Insidern bekannt aber mit ihrem an die alten AC/DC erinnernden Sound sind sie in Amerika weitläufig bekannt. Es dauert geraume Zeit, bis wir feststellen, dass der Drummer von Jackyl genau neben mir steht. Ha, und jetzt? Bis mir was sinnvolles in den Sinn gekommen ist, ist er schon wieder weg. Zum Feierabend ergeht es uns wie die vergangenen Nächte...

 

Donnerstag, 9. August:

Heute wollen wir shoppen. In Sturgis hat es tausende von Ständen und da wird doch wohl das eine oder andere T-Shirt auffindbar sein. Wir schlendern durch die Gassen, es ist nach wie vor heiss und der Durst plagt immer wieder. Man trifft jede Menge seltsame Gestalten und noch seltsamere Vehikel.

 

 

Es macht unheimlich Spass, sich im Gewühl fortzubewegen und alles mögliche zu beaugapfeln. Etwas später kommen wir zum Jack Daniel’s Truck und versprechen uns dabei ein oder zwei Versucherli. Doch Pech gehabt, es gibt keinen Tropfen für umsonst, so ein Ärger! Und das Gekaufte darf man nicht einmal mit auf die Strasse nehmen. So lautet das Gesetz!

 

 

Am Abend landen wir wie gehabt im Full Throttle. Jackyl spielt auf und lässt es so richtig krachen. Ein typisches Merkmal für Jackyl ist die Motorsäge. Mit dieser macht Jackyl sogar Musik! Offenbar feiert Jackyl auch noch ein Jubiläum in Sturgis. Zu diesem haben Stihl und Dodge eine spezielle Motorsäge gebaut. Eine mit einem Hemi V8 Motor...

 

 

Die Stimmung ist unglaublich! Wir bleiben wieder mal bis zum Schluss und träumen anschliessend von Motorsägen.

Freitag, 10. August:

Wir streunen wieder durch die Stadt, schauen links und rechts und geniessen den Trubel, die bikes und die Menschen. Die Hells haben auch ein paar Stände hier. Eigentlich wurde dieses Jahr ein grosses Aufgebot der Angels erwartet. Auch Sony Barger war für ein paar Autogramme angemeldet. Doch weder er, noch der Konvoi sind aufgetaucht, tja, so ist das nun mal. Immer wieder treffen wir auf die schrägsten Vögel, man beachte Hände und Füsse dieses Kollegen.

 

 

Am späteren Nachmittag kehren wir mit trockenen Hälsen im berüchtigten One Eyed Jack Saloon ein. Schon jetzt tanzt hier der Bär. Oder besser die Girls...

 

 

Man kann es einfach nicht beschreiben, es ist einfach total crazy, dieses Sturgis. Sogar der Weihnachtsmann schaut auf ein Bier rein.

 

 

Es wird schnell Abend, heute gibt’s zur Abwechslung mal kein Konzert, das uns interessiert. Aber das macht fast gar nichts, in unserer Stammkneipe geht jede Nacht die Post ab.

 

 

Samstag, 11. August:

Wir wollen heute noch einmal die Boss Hoss reiten. Auch wenn man pro Event nur einmal Probe fahren darf, sind wir überzeugt, dass wir es schon irgendwie hin kriegen und noch mal am Gas drehen dürfen. Am Nachmittag schlendern wir zum Truck und stellen erstaunt fest, dass keine Maschinen mehr rumstehen. Uns wird erklärt, dass die Demorides nur bis Mittag stattgefunden haben, dann wurden sie eingepackt und sind schon wieder auf dem Weg nach Hause. Super!!! Aber auch hier finden wir einen Weg, uns wieder aufzuheitern.

 

  

Am Abend spielen Papa Roach im Buffalo Chip. Verdammt, die Jungs sind seit 15 Jahren auf der Bühne und wissen, wie’s geht. Wo war ich bloss in dieser Zeit? Als sie „Last resort“ spielen, ist die Show auch schon vorbei, pünktlich nach 90 Minuten, wie immer. Wie könnte es auch anders sein, wir landen in unserem Stammlokal.

 

Sonntag, 12. August:

Heute geht die Rally offiziell zu Ende. Am Nachmittag sehen wir uns in der Stadt nach etwas essbarem um. Und finden nichts! Unglaublich, alle Stände sind entweder weg oder am abräumen. Hallo??? Hunger!!! Es bleibt uns nichts anderes übrig, als einen schrecklichen Burger (oder was auch immer das sein soll) herunterzuwürgen. Nicht mal mehr das Bier spült gut runter. Na, dann auf in’s Full Throttle. Tja, Pech gehabt. Da geht auch nichts mehr. Irgendjemand scheint in Sturgis auf den Aus-Knopf gedrückt zu haben. Gestern noch tausende von Bikern auf der Strasse, heute Tote Hose! So geht die 67. Sturgis Black Hills Rally zu Ende. Ganz leise und ganz klanglos. Vorhang runter, see you next year!

 

 

Byyyyeeeeee......

Auszug aus dem Tagebuch No. 5:

Das andere Amerika oder warum man Bier manchmal lieber aus Honiggläsern trinkt

Montag, 23. Juli:

Auf geht’s zu Bären und Elchen. Wir sind noch keine 5 Minuten in den Park eingefahren, da stauen sich Autos entlang der Strasse und Menschen bewaffnet mit Fotoapparaten stehen herum. Wir halten an und stellen fest, dass sich ein junger Hirsch direkt an der Strasse am frischen Gras verpflegt.

 

Von Scheu ist nichts festzustellen. Auch die Brüder und Schwestern von Hirschi zeigen keine Menschenangst. Das fängt ja gar nicht mal so schlecht an. Die Rockies ziehen sich von Kanada quer durch die USA bis ins südliche Kalifornien. In Colorado dominieren sie den grössten Teil des Staates, weshalb die Gipfel der Berge recht hoch ausfallen. Der Rocky Mt NP wird geteilt durch eine dieser hohen Bergkette. Auf knapp 4'000 Meter angekommen, wird es ziemlich fröstelig aber für mich noch kein Grund für Socken. Auch hier gibt’s noch einiges an Tierwelt zu betrachten, wir sichten Bergziegen, Wild und auch die putzigen Pikachus. Leider gelingt es uns nicht, eines dieser stürmischen Wirbelwinde zu fotografieren, zu schnell flitzen sie zwischen den Steinen umher, zu beschäftigt sind sie, um ihre Wintervorräte in Form von Gräsern, Flechten und Körnern in ihre Höhlen zu bringen. Damit man sich aber wenigstens eine Vorstellung über die putzigen Nager machen kann, fotografiere ich ein Poster:

 

Während der Talfahrt bekomme ich Kopfweh. Wird wohl nicht so schlimm sein, wahrscheinlich haben wir heute einfach zu wenig getrunken. Die Fahrt ist wunderschön und führt uns durch grüne und saftige Nadelwälder.

 

Wieder stehen Autos am Strassenrand und Leute stehen herum. Wir schliessen uns an, sehen aber nicht, worum es geht. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Büsche gelangen wir in eine Lichtung und da stehen sie! Massive Hirsche, riesig! Die Spannweite der Geweihe beträgt mindestens zwei Meter. Wir wissen, dass wir nicht zu nahe an die Tiere dürfen, trotzdem schleichen wir uns entlang der Bäume und Büsche gegen den Wind an und es gelingen uns einige hervorragende Fotos:

 

Es dauert aber nicht sehr lange und weg sind sie. Wir suchen den Weg zurück und wieder spüre ich wie es in meinem Kopf hämmert. Werde nachher mal eine Tablette nehmen. Für uns wird es langsam Zeit, ein Plätzchen zum übernachten zu finden. Da es streng verboten ist, im Park zu campieren, fahren wir kurzerhand raus und finden ein Plätzchen im Wald. Als es komplett eingedunkelt ist, wird es uns schon ab und zu mal mulmig. Es raschelt ständig, wir können nicht alles Gepäck im Auto unterbringen und die Bären hier haben sensible Nasen.

Dienstag, 24. Juli:

Wir wachen auf und stellen fest, dass noch alles da ist. Keine Bären letzte Nacht, gut so! Aber meinem Kopf geht’s nicht viel besser, also gibt’s noch eine Tablette. Nach dem Frühstück fahren wir wieder in den Park (der Eintritt ist grundsätzlich sieben Tage gültig) und versuchen unser Glück für Bären und Elche erneut. Leider fahren wir kreuz und quer herum, wandern sogar ein gutes Stück aber ausser meinem Kopf gibt es nichts neues zu berichten. Wieder übernachten wir in unserem Wäldchen ausserhalb des Parks, wieder keine Bären nachts, gut so! 

Mittwoch, 25. Juli:

Wieder fahren wir in den Park und auch heute scheint uns das Glück nicht hold zu sein. Wir beschliessen also, langsam Richtung Yellowstone zu verschieben und dann haben wir doch noch Glück: Unser erster Elch!

 

Es ist zwar kein kapitaler Hirsch aber auch eine Elchkuh ist gross genug. Und genauso schnell wie sie aufgetaucht ist, ist sie auch wieder verschwunden. Ganz im Gegensatz zu meinem Kopf. Es wird einfach nicht besser und ich bin überzeugt, mir eine Stirnhöhlenentzündung eingefangen zu haben. Werde also versuchen, mir in der nächsten Stadt Antibiotika zu besorgen, sonst nimmt das Hämmern nie ein Ende. Auf unserem Weg Richtung Yellowstone kommen wir in schwere Gewitter. Es hat keinen Sinn, so weiterzufahren. Also mieten wir uns auf dem nächsten Zeltplatz ein Kabinchen um wenigstens die Nacht trocken zu bleiben. Esthi findet in Ihrer Apotheke eine Schachtel Augmentin forte, Gott sei Dank! Aber wer Antibiotika kennt, weiss, dass es nur langsam geht, bis das Elend zu Ende geht. Aber es nützt...

Donnerstag, 26 Juli:

Wir bleiben den heutigen Tag in Rawlins (sprich „Ralins“), Wyoming. Die Zeit nützen wir mit Wäsche waschen und Büroarbeiten, sprich Internet und Tagebuch. Abends gönnen wir uns ein üppiges Essen und einem Besuch in den lokalen Bars. Rawlins ist eine Erdölstadt, hier arbeiten viele Amis weil die schwere Arbeit an den Pipelines und der Förderanlagen gut bezahlt werden. Entsprechend gibt es kaum Abwechslung und abends sind Schlägereien durchaus keine Seltenheit. Wir beschränken uns aber auf’s Wesentliche und geniessen das Bier aus Honiggläsern.

 

Auf unserer Beizentour kommen wir dann irgendwann an einer Bar vorbei, das Schild draussen lädt uns zu einer kleinen Fotosession ein, wobei ich mir meine erste Beule am Chevy einhandle... Egal, er hat schon so viele und eine mehr oder weniger spielt auch keine Rolle. Aber die Fotos werden auch mit Unterbelichtung richtig cool:

Freitag, 27. Juli:

Der heutige Tag besteht im wesentlichen aus Fahren. Meine Stirnhöhle hat sich zwischenzeitlich beruhigt und ich bin sehr dankbar, keine Schmerzen mehr zu haben. Gegen späteren Nachmittag suchen wir uns wieder mal ein Plätzchen im Wald und finden ein auf den ersten Blick schönes direkt am Fluss. Wir vergessen, dass wo Wasser ist, auch Mücken sind und werden regelrecht überfallen. Es dauert aber nur bis zur Dunkelheit, dann sind die Plagegeister wieder verschwunden. In dieser Einsamkeit wähle ich für die Abendunterhaltung den Film „Signs“ mit Mel Gibson und Joaquin Phoenix, der sehr spannend ist und uns öfter mal über die Schultern schauen lässt, ob da nicht was aus dem dichten Gebüsch kommt...

 

Samstag, 28. Juli:

Endlich kommen wir in Reichweite des berühmten Yellowstone National Park. Aus dem Süden kommend fährt man erst durch den Grand Teton NP. Guido hat wieder mal eine Idee, Kosten zu sparen: Da mein Chevy ziemlich hoch ist, soll sich Esthi hinter dem Auto verstecken und so die Eintrittsgebühr sparen. Mir ist nicht wohl zumute aber versuchen wir’s mal. Es funktioniert tatsächlich. Wir fahren wieder aus dem Grand Teton und weil es so gut geklappt hat, versuchen wir’s beim Yellowstone gleich noch einmal. Auch hier reklamiert niemand, als wir im Schneckentempo durch den Eingang rollen. Na, das war ja einfach.

 

Der Yellowstone NP soll das meistbesuchte Touristenziel Nordamerikas sein. Wenn ich an Las Vegas, New York oder Florida denke, wage ich diese Aussage jedoch zu bezweifeln. Aber egal, wir suchen uns anhand der Karte ein schönes Plätzchen auf einem der zahlreichen Campingplätze und stellen gleichzeitig fest, dass es ausser in den Hotels keine Duschgelegenheiten gibt. Das kann ja heiter werden, wir wollen schon ein paar Tage im Park bleiben. Als ich zum Eingang des Camping fahre um unseren Platz zu bezahlen bemerke ich eine grössere Anzahl von Park Rangern in ihrem Fahrzeugen. Wahrscheinlich haben sie eine Besprechung. Zurück beim Zelt spielen wir eine Runde „Lügen“ und plötzlich kommen zwei bewaffnete Park Ranger auf uns zu und fordern uns auf, aufzustehen und auseinander zu treten. Esthi wird in die eine Ecke geführt, ich in die andere. Wir werden richtiggehend verhört, die Hände der Ranger sind permanent an ihren Waffen. Natürlich wurden wir beim Eingang gefilmt und das Kassenpersonal darf in solchen Fällen nicht reagieren sondern muss die Sicherheit alarmieren. Wir kommen uns vor wie Schwerverbrecher, denn genauso werden wir behandelt. Es folgt eine lange Diskussion, an der sich auch Guido beteiligt aber das Ergebnis bleibt das gleiche: Wir haben einen kriminellen Akt begangen und sind dabei erwischt worden. Alles diskutieren nützt nichts, wir bekommen eine saftige Busse von je 125 Dollar. Esthi, weil sie den kriminellen Akt begangen hat, ich weil ich sie dabei unterstützt habe. Ausserdem muss Esthi noch innerhalb 24 Std. den Eintritt bezahlen gehen. SUPER! Es nützt nichts, die Park Ranger sind unerbittlich! Vielleicht haben sie ja auch einen schlechten Tag gehabt. Es stände durchaus in ihrer Macht, uns nur eine Verwarnung zu geben. Im Gegenteil, je mehr wir versuchen, eine Erklärung abzugeben, desto konsequenter werden wir zusammengepfiffen. Jä nu, dann zahlen wir halt! Für mich ist erstaunlich, wie hoch Park Ranger in der Exekutiv-Hierarchie der USA angesiedelt werden. Die tiefste Ebene ist die Police, die für eine kleine geografische Region zuständig ist, z. B. eine Stadt. Darüber steht der Sheriff, der das County (Region) befehligt. Dann kommen die State Trooper, die innerhalb des entsprechenden Staates (z.B. Colorado) wirken dürfen. Und wenn es über die State Border hinausgeht (z. B. eine Flucht quer durch Amerika, siehe auch Filme „The Fugitive“ und „U.S. Marshalls“), sind U.S. Marshalls und/oder die Park Ranger zuständig. International kommen dann FBI, CIA oder NSA zum Einsatz. So ein depperter Park Ranger ist also nicht zu unterschätzen, Leute! Auch wenn sie harmlos erscheinen, die haben schon was zu sagen... Zumindest wird uns dies so beigebracht und wir werden dringlichst darauf hingewiesen, die Busse innerhalb 30 Tagen zu bezahlen. Sonst gibt’s richtig Ärger und evtl. Guantanamo Bay einfach! Ja, ja, schon gut! Wir beschliessen, die 250 Dollar durch drei zu teilen obwohl sich Guido anbietet, die gesamte Summe zu übernehmen. Schliesslich war es ja seine Idee. Irgendwie muss ich innerlich grinsen, wir haben hier ja schon viel Schabernack getrieben und beinahe jedes Mal sind wir erwischt worden. Nicht schlecht, die Aufklärungsquote der Herren Ordnungshüter, oder?

Wir sind dann schlussendlich doch ein bisschen ranzig, keine Minderung auszuhandeln und so entstand dann dieses Foto:

 

Sonntag, 29. Juli:

Heute nehmen wir uns eine der Hauptattraktionen des Yellowstone vor: den Old Faithful. Es ist ein Geysir, der seit tausenden von Jahren rund alle 20 Minuten das heisse Wasser durch einen engen Schlund treibt. Durch die Verengung steigt der Druck und das heisse und mit Schwefel durchsetzte Wasser wird mächtig in die Höhe gespritzt. Der folgende Film zeigt dies am eindrucksvollsten:

 

Im Yellowstone trifft man immer wieder auf heisse Quellen, unterirdischen Teiche und Wassertreppen. Die Temperaturen sind meist nahe am Siedepunkt, das Wasser ist ungeniessbar, weil hoch schwefelhaltig. Wir haben extra rohe Eier mitgebracht, Guido will versuchen, diese in den heissen Quellen zu kochen aber daraus wird nichts, man wird der Sicherheit wegen, nicht nahe genug an die Quellen herangelassen.

 

Auf unserer Route durch den Park kommen wir an wunderschönen Landschaften, Ebenen und Wäldern vorbei.

 

Auch treffen wir immer wieder auf Wild, meistens sind es Rehe, hier sagt man Deer dazu. Auch treffen wir wieder mal auf kapitale Hirsche:

 

Die Park Ranger versuchen uns immer wieder von solchen Fotos abzuhalten, weil laut ihrer Meinung viel zu nahe am Wild sind. Tja, liebe Park Ranger, der Versuch war gut aber für 250 Dollar wollen wir auch was haben...

Wir treffen auf zwei Motorräder, Mike und Luis aus Vancouver, Kanada verbringen auch ein paar Tage im Park. Wir treffen die beiden den ganzen Tag immer wieder an den örtlichen Sehenswürdigkeiten. Abends stellen wir fest, dass alle Campingplätze restlos ausgebucht sind. Na, toll! Wild campen ist ja bekanntlich verboten. Wie durch Zufall kommt uns Luis entgegen, der seinen verlorenen Handschuh sucht. Selbstverständlich dürfen wir ihren Platz mitbenützen und spendieren dafür das Apéro (Mojito), Abendessen (Spaghetti mit Tomatensauce und einem Löffel Philadelphia) samt anschliessendem Verdauerli (Yukon Jack, Bourbon).

 

Montag, 30. Juli:

Nachts war es wieder verdammt kalt! So kalt, dass wir mit langen Hosen und Jacken schlafen mussten um nicht zu frieren. Doch auch hier ist es ähnlich wie in Silverton, kaum kommt die Sonne raus, wird es temperaturmässig wesentlich gemütlicher. Nachdem Luis endlich den Zündschlüssel zu seiner Kawasaki gefunden hat (sie hatten schon komplett gepackt, mussten alles noch einmal durchsuchen, schlussendlich war der Schlüssel in Luis’ Hose...) fahren er und Mike los und wir verabreden uns in Vancouver. Kaum wieder on the road, werden wir wieder auf viele parkierte Autos aufmerksam. Also aussteigen und nachsehen. Wahrscheinlich sind es wieder ein paar Hirsche oder Deer, wie schon so oft. Doch dann erleben wir eine Überraschung: Endlich ist es soweit, wir sehen unsere ersten Bären!

Juhui!!! Es sind zwar “nur” Schwarzbären und keine Grizzlys aber wir sind mehr als zufrieden. Immerhin haben wir eine Mutter mit ihrem Kleinen erwischt, das gibt es auch nicht alle Tage, wie man uns versichert. Und noch eine Überraschung wartet am Nachmittag auf uns. Nachdem wir die imposanten Wasserfälle.

 

besucht haben und Amish People (Leute, die mit der Zivilisation nichts zu tun haben wollen und leben, wie zur Kolonisationszeit) getroffen haben, fahren wir um eine Kurve und erleben eine weitere Sensation: Ein Bisonbulle taucht mitten aus dem Wald auf!

 

Der Kerl ist einfach riesig! Und es scheint ihn überhaupt nicht zu interessieren, ob wir uns vor, hinter oder um ihn bewegen. Ganz so nahe wie bei den Hirschen gestern trauen wir uns aber trotzdem nicht, Busse hin oder her!

Als er dann in aller Gemütlichkeit die Strasse entlang trottet, folge ich ihm mit dem Auto.

Es ist einfach unglaublich! Der Kerl spaziert mitten über eine Brücke, alle Autos warten und den Touristen fällt der Unterkiefer runter. Und dann ist Buffalo-Bill wieder im Wald verschwunden. Und tschüss...

Dienstag, 31. Juli:

Es wird langsam Zeit, Yellowstone zu verlassen. Nicht nur, weil die Kopfhaut wieder verdächtig beginnt zu jucken, auch weil ein weiteres Highlight in den USA bald stattfindet: Die 67. Sturgis Ralley. Diejenigen, die noch nie was davon gehört haben, die Sturgis Ralley ist das grösste Motorrad-Treffen auf diesem Planeten. Natürlich war das Event ursprünglich nur für Harley-Fahrer gedacht aber zwischenzeitlich hat sich das 2-klassen System zwischen Harley-Fahrern und allen anderen Marken auch in den USA vereinheitlicht. Vielen Dank dafür, liebe Harley-Fahrer, endlich begreift ihr, dass alle anderen Biker auch Motorrad fahren... An der Sturgis-Ralley wurden in den letzten Jahren rund eine halbe Million Motorräder gezählt, ich habe irgendwo Besucherzahlen von etwa 2 Millionen gelesen. Was innerhalb dieser zwei Wochenenden alles an Spektakel geboten wird, wissen wir noch nicht genau. Zumindest spielen viele Rockgruppen, die noch nie in Europa gespielt haben oder ich noch nie live gesehen habe. Lassen wir uns doch mal überraschen, der Weg ist noch weit...

Wenn man den ganzen Tag unterwegs ist und es so richtig langweilig wird, ist man für jede Abwechslung dankbar, es müssen ja nicht immer atomare Feuerbälle sein:

 Auch muss man immer höllisch aufpassen, dass man unterwegs nicht irgendwelche Kuriositäten verpasst. In solchen Fällen gilt: Vollbremsung, umgedreht und angelinst:

 In diesem Fall wurden Hunderte von Geweihen und Schädeln zu einem kunstvollen Gebilde aufgehäuft. Für die Tierliebhaber unter Euch, keine Panik: Jedes Teil wurde in der Wildnis gefunden, wie uns der Besitzer erklärt. Hirsche und Elche bilden jeden Frühling ein neues Geweih, welches mit den Jahren immer grösser wird, bzw. mehr Enden erhält.

Wir fahren heute noch bis Worland, Wyoming. Endlich gibt’s die verdiente Dusche. Und weil zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz bereist Nationalfeiertag ist, öffnen wir zur Feier eine Flasche Cherry-Rotwein. Mmhh, der Kirschgeschmack im Abgang ist fantastisch, schade, dass wir nur eine Flasche gekauft haben!

Mittwoch, 1. August:

Weit und breit keine Schweizer und kein Feuerwerk sichtbar, schade! Wir hätten sicher auch noch was zum explodieren gebracht... Stattdessen lassen wir den heutigen Tag mit Wäsche waschen und Büroarbeiten an uns vorbeiziehen. Ganz gemütlich, so wie Ferien sein sollten.

Donnerstag, 2. August:

Es ist nicht mehr weit bis Sturgis, heute sollten wir es schaffen. Unseren Zeltplatz haben wir per Email reserviert, bis heute aber keine Bestätigung erhalten. Na ja, dann lassen wir uns halt einmal mehr überraschen. Unterwegs wollen wir aber noch das Wahrzeichen von Wyoming, den Devil’s Tower, besuchen, der auch jedes Nummernschild dieses Staates ziert. Wir treffen auf immer mehr Biker mit ihren Maschinen, grrrr, jetzt hätte ich auch gerne eine!

 

Die Sage eines Indianerstammes erklärt die Entstehung des seltsamen Hügels: Eine Gruppe von Squaws war Beeren sammeln, als aus dem Gebüsch ein riesiger Bär erschien. Die Frauen flohen vor dem Bären auf einen Hügel und beschworen ihre Götter. Diese liessen den Hügel in die Höhe wachsen, so hoch, dass der Bär die Gruppe nicht mehr erreichen konnte. Die Kratzspuren des Bären sind noch heute an den Seiten des Berges erkennbar. Klingt ja ganz plausibel... Wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen im Wald und übernachten neben einem grossen Kieshaufen im Windschatten.

 

Chrrrrpüüüüühhhh! Chrrrrpüüüühhhh! Chrrrrrrpüüüüühhhh!

Auszug aus dem Tagebuch No. 4 / Juli 2007:

Die Sache mit dem echten Amerika, schlafen auf Höhe des Jungfraujochs und fliegenden Pferden

Donnerstag, 12. Juli:

Wir haben es gestern nicht mehr bis Moab geschafft und auf einem Parkplatz neben der Autobahn übernachtet. Schon wieder für kein Geld! Nachts dachten wir, es hätte wieder geregnet, doch es war die automatische Sprinkleranlage, die die halbe Nacht lief. In manchem Garten wird nicht so viel Sorge zum Rasen getragen, doch offenbar soll es auf den Parkplätzen schön grün sein. Wen wunderts?! Dafür gab’s während der Weiterfahrt auf dem Highway eine kleine Attraktion zu bewundern:

Tja, auch hier passieren solche Sachen wenn man am Steuer einschläft. Leider hatte der Truck nichts geladen, was wir hätten stratzen können.

Im Arches National Park angekommen, brennt die Sonne wieder enorm heiss, es fängt schon wieder an zu kribbeln auf der Dachpappe, doch die Gegend entschädigt uns für die Schwitzerei. Die Natur hat hier während Jahrtausenden die Felsen so seltsam geformt, dass es aussieht, als wäre man auf einem anderen Planeten. Teilweise entstanden Löcher in den Wänden und in den extremsten Fällen wurden sogar steinerne Brücken gebildet.

Am späten Nachmittag verlassen wir den Park wieder und fahren zurück nach Moab. Das Abendessen beim Mexikaner war nicht sehr überzeugend im Gegensatz zu den seltsamen Softdrinks. Probiert mal Sprite oder Cola mit einem Schuss Grenadine-Sirup. Wir übernachten auf einem Zeltplatz der leicht schmuddelig erscheint. Die Inhaberin, die irgendwo in den späten Sechzigern stehen geblieben sein muss, schenkt uns die 17 Dollar, ha!

Freitag, 13. Juli:

Heute nehmen wir uns das Monument Valley vor. Das bedeutet zwar, den gleich langweiligen Weg wieder zurück zu fahren, doch ich denke an die Spezial-Bonbons. Mit den Dingern wird’s sicher keine Krise geben. Jeder von uns hat das Monument Valley schon mal gesehen. Entweder in einer Marlboro Reklame oder damals, als John Wayne in die Kamera geritten kommt und im Hintergrund diese fantastischen Felsen erscheinen. Unzählige Filme wurden hier gedreht, doch Bilder sprechen mehr als Worte:

Das Monument Valley ist einfach grossartig! Für mich persönlich repräsentiert es einen Teil der Vereinigten Staaten. So habe ich es mir immer vorgestellt, hier wollte ich hin, hier ist Amerika!

Wir verweilen mehrere Stunden zwischen den Felsformationen und schliesslich fängt es an einzudunkeln. Dann nisten wir uns in einem leeren Verkaufsstand der Navajos ein, so verlassen und verlottert wie es hier aussieht, kommt morgen ganz sicher niemand um Indianer-Schmuck zu verkaufen.

Samstag, 14. Juli:

Irgendwelche Geräusche wecken uns, es klingt wie Gesang. Mit Sandmännchen’s Staub in den Augen spähen wir aus unseren Schlafzimmer und ein herzliches „Guuuud mooonin...“ schallmeit uns entgegen. Dann wieder Gesang. Ich bin mir nicht sicher ob ich träume also reibe mir die Augen klar und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Aber tatsächlich: Gleich neben „unserem“ Verkaufsstand deckt eine Navajo-Indianerin sorgfältig den Tisch mit allerlei Schmuck und singt dabei ein Lied ihrer Vorfahren. Cool, so bin ich ganz sicher noch nie geweckt worden! Wir plappern ein bisschen miteinander, Esthi kauft eine Armspange und dann wird gefrühstückt. Irgendwann zwischen Kaffee und Cornflakes beginnt eine Diskussion über unsere weitere Routenplanung. Eigentlich dachten wir, es ginge jetzt nach Las Vegas, dann Bryce Canyon, Los Angeles und entlang dem Highway 101 hoch bis Seattle. Doch zeitlich scheint das irgendwie nicht mit Sturgis (dem grössten Harley-Treffen der Welt) hinzukommen. Und Sturgis ist einer der wenigen Fix-Termine! Aber was ist mit Yellowstone? Und der höchsten Strasse der USA? Verflixter Ferienstress! Wir diskutieren hin und her, brüten über allen Karten und Atlanten, die wir dabei haben. Langsam wird es Mittag und wir sind noch kein Stück weiter. Plötzlich kommt Guido mit einem seiner berühmt-berüchtigten Agendablättern (kein Mensch ausser er kann sie lesen) an und meint, dass ganz in der Nähe und dieses Wochenende ein grosses Treffen von Welt-Reisenden sei. Aber es liegt nicht Richtung Kalifornien. Dafür wäre es ideal für Colorado, die höchste Strasse Amerikas und Yellowstone. Es folgt eine weitere Diskussion und schlussendlich einigen wir uns auf das Treffen und die hohe Strasse. Danach soll es wieder Richtung Las Vegas gehen. Gut, auf geht’s!

Plötzlich verliert die KTM an Motorkraft, fängt an auszusetzen und es klimpert schon wieder äusserst seltsam aus dem Motorblock! Vielleicht liegt es an der Höhe (wir fahren auf gut 3'000 M.ü.M.), dass die Verdichtung nicht mehr ganz mitkommt. Doch dann ist fertig lustig. Die Geräusche werden richtig laut und Guido will kein Risiko eingehen. Wir schleppen die KTM mit ein paar zusammengesetzten Span-Sets über einige Kilometer bis zu einer Tankstelle kurz vor Durango. Natürlich ist wieder mal Samstag Nachmittag und in Durango gibt’s ganz sicher keinen zuverlässigen Mechaniker, der die Tücken der KTM kennt. Scheisse, was nun?! Erstmal lassen wir das bike stehen, schliesslich wollen wir das Reise-Treffen nicht auch noch verpassen. Die beiden Schweizerfahnen, die ich als Warnsignal beim Abschleppen montiert habe, lasse ich gleich an den Seitenscheiben. Die Travellers sollen sehen, wer da von woher kommt.

Die Fahrt von Durango nach Silverton ist fantastisch! Ein Motorradparadies vom feinsten: Breite Strassen, guter Teer, unzählige Kurven, auf und ab. Hierher würde ich gerne noch einmal kommen, aber auf 2 Rädern... Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kommen wir dann auf dem Gelände der Organisatoren (die aus England kommen) an, gerade rechtzeitig zum Abendessen. Es gibt richtig schwere Kost: Salat mit einem undefinierbaren Dressing, halbgekochte Dörrbohnen (schmecken wie die Äste vom Baum gegenüber) mashed potatoes (sollte Stocki sein, sieht aber aus wie eine Zementmischung) und richtig gutem, homemade Meat Loaf (Hackbraten) mit einer Rahmpilzsauce. Letztere wiederum übernahm tagsüber wohl eher die Funktion eines Zwei-Komponenten Verbundklebstoffs, auch bekannt als Araldit. Aber egal, wir wurden herzlich empfangen und während den Diavorträgen bekamen wir sogar noch einen Applaus für die weiteste Anreise. Vielleicht steht auch noch etwas im Internet, seht doch mal nach unter www.horizonsunlimited.com. Natürlich wurde viel geredet und gefragt. Die Treffen der Horizons Unlimited finden auf der ganzen Welt statt, jährlich zwei pro Kontinent. Wer weiss, vielleicht reicht es uns ja für eines in Australien. Wir kommen zumindest sehr spät in’s Bett und hier ist es nachts so richtig, richtig kalt! Silverton liegt auf einer Höhe von 3'400 Metern, etwa gleich hoch wie das Jungfraujoch...

Sonntag, 15. Juli:

Nach dieser kalten Nacht erwachen wir morgens bibbernd aber kaum kommt die Sonne raus, wird’s schon wieder wärmer. Uns erwartet das erneute Auseinandernehmen der KTM. Gesagt, getan! Wir fahren also wieder zurück nach Durango und beginnen mit der mühseligen Arbeit. Von einem der Teilnehmer des gestrigen Treffens haben wir einen Tipp für einen guten Mechaniker in der Nähe von Colorado’s Hauptstadt Denver bekommen. Da wollen wir hin! Aber vorher soll noch die höchste Strasse Nordamerikas von der Pendenzenliste abgehakt werden. Es geht also wieder durch Silverton bis wir spät nachts in Buena Vista ankommen und beschliessen, ein Zimmer in einem Motel zu nehmen. Waren die Motels in Texas noch um die 50 Dollar, legen wir hier – auch nach intensivem Nachverhandeln – 75 Dollar hin. Was für ein Wucher!

Montag, 16. Juli:

Wie fast jeden Tag kommen wir nicht vor Mittag los, Schlafen ist ja bekanntlich eine gesunde Sache. Als heutiges Highlight haben wir uns die „Erfahrung“ der höchsten Strasse Nordamerikas vorgenommen.

Die bestens befahrbare Strasse führt durch saftige Wälder bis über die Baumgrenze, durch eine Tundra ähnliche Natur und Steinwüste bis fast zum Gipfel. Wie war das noch mal mit unseren höchsten Bergen? Eiger, Mönch und Jungfrau sind meines Wissens etwa 3'800 Meter hoch. Servus die Wadln! Der Mt. Evans ist ein wenig höher, ätsch! Aber wenigstens die Tierwelt kommt uns bekannt vor:

Auf dem Rückweg tanke ich wieder mal. Nicht, dass dies ein besonders spannender und erwähnenswerter Moment ist, aber die Tankstelle und vor allem deren Besitzerin soll der Einmaligkeit halber erwähnt werden.

Nach unserem kleinen Gespräch stelle ich jede Menge Gemeinsamkeiten mit jemand ganz bestimmten fest, den ich sehr, sehr lieb habe. Wer das wohl sein könnte?

Da ich gerade beim Thema Benzingespräche bin, zur Abwechslung mal ein paar Informationen aus der Abteilung Statistik. Wer sich nicht für Benzinpreise und den Verbrauch amerikanischer Autos interessiert, kann diesen Abschnitt getrost überspringen. Für alle anderen, nun ein paar Hintergrundinformationen: Eine Gallone (= 3.6lt) unverbleites Benzin (zwischen 85 und 91 Oktan) kostet aufgrund meiner Erfahrung im billigsten Fall USD 2.84 (= CHF 3.55). Daraus ergibt sich ein Benzinpreis in CHF/Liter von 0.98. Im bisher teuersten Fall kostet der Liter Benzin CHF 1.14. So oder so gesehen, eigentlich recht günstig. Rechnet man aber den Verbrauch eines 5.7lt V8 mit ein, egalisiert sich jedoch einiges. Durchschnittlich dürfte der Chevy etwa 13lt/100km konsumieren, genauere Zahlen werde ich am Ende der USA-Reise ermitteln. Den tiefsten Verbrauch habe ich mit einer Tankfüllung auf 7.3lt/100km setzen können, wobei ich mit diesem Tank 760 Meilen weit kam, das sind immerhin 1'220km! Für einen Benziner dieser Grössenordnung gar nicht mal so schlecht, oder?

Zumindest schaffen wir es heute noch bis Loveland, CO. Wir kommen ziemlich spät abends an und sind deswegen aber nicht sehr traurig, der Shop hätte heute sowieso zu gehabt. Die KTM wird aber trotzdem entladen und rollfähig zusammengebaut. Bis morgen!

Dienstag, 17. Juli:

Gegen 10.00 Uhr trudeln wir bei Elite Sports ein. Der Inhaber erklärt uns, dass sein Mechaniker momentan im Spital zur Untersuchung weilt. Wir sollen doch gegen späteren Nachmittag noch mal reinschauen. Nicht, dass er nicht noch andere Mechaniker hätte, aber dieser kennt sich mit dem LC-4 Motor der KTM am besten aus. Ein Argument, das uns überzeugt. Für den Rest des Tages füllen wir unsere Vorräte auf und – wie könnte es anders sein – finden einen Starbucks. Der Mechaniker kommt an diesem Tag nicht mehr zur Arbeit. Abends findet eine bereits bekannte Parade statt: Steaks und Bier und Bier und Steaks.

Mittwoch, 18. Juli:

Am späteren Vormittag bringen wir Guido zur KTM. Aaron, der Mech, hatte noch ein anderes Motorrad fertig zu machen. Jetzt sehen wir auch, warum er gestern im Spital war. Aaron hat sein Bein bei einem Autounfall gegen eine Prothese eintauschen müssen. Endlich kommt Guido’s bike dran. Esthi und ich skippen zwischen Starbucks und Einkaufszentrum hin und her. Vielleicht ein neues, grösseres Zelt für die beiden? Ich studiere kurz an einer Dachbox rum aber nöh, 300 Dollar sind mir dann auch zu viel. Im laufe des Nachmittags trudeln wir wieder bei Elite Sports ein. Guido und Aaron sind gut vorwärts gekommen, doch jetzt fehlen wieder mal ein paar Teile, die bereits unterwegs sind. Für Guido gibt’s bis zu deren Eintreffen nichts weiter zu tun (vielleicht kommen sie ja morgen), also beschliessen wir, uns ein Feierabendbier zu gönnen. Gleich neben dem Zeltplatz ist eine vielversprechende Bar und es gibt auch eine Happy Hour, die wir natürlich bis zur letzten Minute auskosten, hicks! Dabei lernen wir einige lokale Typen kennen, klar, dass sie alle unsere Geschichte hören wollen. Damit unsere Kehlen nicht austrocknen, spendieren sie einen nach dem anderen. Bis die Sache mit den „Jäger-Bombs“ los ging. Unsere Schweizer Version, der „Flying Hirsch“ (Jägermeister mit Red Bull), ist allgemein bekannt aber die Wirkung ist die gleiche. Irgendwann gibt’s in meinem Kleinhirn einen mittelgrossen Filmriss, ich weiss nur noch, dass wir in’s Auto stiegen und die Bullen schon die Sirene und Blaulicht am laufen hatten. Da wir uns aber auf Privatgrund befanden, gingen sie leider leer aus, ätschbätsch...

Donnerstag, 19. Juli:

Oje, oje, das war zuviel! Uns geht’s so schlecht heute, dass wir beinahe den ganzen Tag im Auto, Zelt, vor allem aber im Schatten verbringen. Nie wieder Alkohol und ganz bestimmt keine Jäger-Bombs mehr...

Immerhin sind einige der Teile für die KTM eingetroffen, Aaron der fixe Junge hat sie bereits eingebaut. Wir schwatzen noch ein wenig mit ihm und erfahren, dass er Motocross- und Endurorennen fährt. Mit einem schiefen Grinsen meint er, dass er ab und zu anhalten müsse, um die Befestigung seiner Prothese nachzuziehen. Einmal habe er sie während eines Rennens sogar ganz verloren und ist zurückgefahren um sie zu holen. Dafür wurde er dann disqualifiziert! Schräg, oder?

Freitag, 20. Juli:

Gute Nachrichten, Guido’s bike wird heute fertig werden. Alle Teile sind eingetroffen und werden im Laufe des Tages montiert. Esthi und ich treiben uns wieder mal in den Einkaufszentren und Starbucks rum. Mein Chevy bekommt eine längst verdiente Wäsche, sooo schlimm ist das Blau ja gar nicht! Gegen Abend kommt Guido mit der KTM auf den Zeltplatz gefahren, es kann morgen also weitergehen...

Samstag, 21. Juli:

Wir haben erfahren, dass dieses Wochenende in Cheyenne, Wyoming die Frontier Days stattfinden. Die Cheyenne Frontier Days sind wahrscheinlich die grösste Rodeo-Veranstaltung in den Staaten. Neben einem Baseball- und Footballspiel ist ein Rodeo ein Muss! Also packen wir unsere Sieben Sachen und fahren hin. Kaum angekommen erfahren wir, dass auch am Abend Programm angeboten wird. Gestern zum Beispiel hatte Bon Jovi gespielt...

Die Frontier Days bestehen aber nicht nur aus Rodeos. Es gibt auch einen riesigen Jahrmarkt mit Fressboutiquen, Achterbahnen, Shoppingständen, usw. Auch die American Natives, die Indianer, sind mit Kunst und Folklore vertreten.

So ein Indianertänzchen sollte man sich also schon mal ansehen. Das Gerücht, das da besagt, es würde nach solchen Hüpfereien zu regnen beginnen, hat sich in unserem Fall aber nicht bestätigt.

Wir geniessen die gute Stimmung und die Hitze. Natürlich trifft man bei solchen Anlässen auch immer wieder wundersame Gestalten, wer hier aber wundersamer ist, kann jeder für sich entscheiden...

Dadurch, dass wir uns ziemlich lange bei den Tribes aufhalten, verpassen wir das letzte Rodeo dieses Tages. Konzertmässig ist für den Abend Gretchen Wilson angesagt, wir verzichten aber auf das Country-Gesäusel, schliesslich haben wir noch keinen Platz zum übernachten. Am Info-Stand erfahren wir, dass alle Zeltplätze in und um Cheyenne (sprich „Scheienn“) restlos ausgebucht sind. Gut, wir werden schon irgendwo ein paar Bäume finden und fahren aus Wyomings Hauptstadt.

Sonntag, 22. Juli:

Wir mussten ziemlich weit fahren gestern, bis wir ein Plätzchen gefunden haben. Es lag weniger daran, dass wir nicht flexibel gewesen wären, das Problem lag vielmehr darin, dass weit und breit kein Wald aufzufinden war. Die Gegend um Wyoming ist flach und umgeben von Wiesen und Feldern. Ausserdem war alles lückenlos gefenct (=eingezäunt) und Privatbesitz. In Amerika ist private property heilig, wie wir ja alle schon wissen, darf nicht einmal die Polizei grundlos auf Privatbesitz. Andersrum bedeutet dies, dass dich der Besitzer ohne zu fragen erschiessen darf, vor Gericht wird er recht bekommen. In unserem Fall übernachteten wir in einem kleinen State Park, sehr malerisch direkt am See. Dummerweise haben wir die Moskitos vergessen, die sich sehr über das Festmahl gefreut haben dürfen.

Montag, 23. Juli:

Die Stunde zurück nach Cheyenne kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Ich fahre seit einer Ewigkeit auf Reserve und es kommt und kommt keine Tankstelle. So wie immer! Sicherlich kennt ihr die Situation. Nun, mit wahrscheinlich dem letzten Tropfen erreichen wir endlich eine Tankstelle, volltanken bitte!

Jetzt wird’s aber Zeit für unser Rodeo. Wir wollen endlich wilde Bullen, springende Pferde und durch die Luft fliegende Cowboys sehen! Wir werden nicht enttäuscht.

Auch wenn wir die Regeln eines Rodeos nicht wirklich begreifen, verstehen wir soviel, dass jeder Reiter mindestens 8 Sekunden auf dem entsprechenden Tier bleiben muss, um sich für die nächste Runde zu qualifizieren. Dabei darf er sich jedoch nur mit der rechten Hand festhalten, die Beine sind nicht fixiert. Die Tiere, entweder Pferd oder Stier, werden richtig aufgeheizt. Punkte gibt es für hohe Luftsprünge bei den Gäulen und wilde Verrenkungen bei den Bulls. Aber seht am besten selbst:

Neben dem Cowboy-Hüpf-Spielchen werden noch Fang-das-Kalb-mit-dem-Lasso, Stunt-Reiten und einiges mehr an Unterhaltung geboten. Die ganze Show ist ein richtiger Spass, wer also in die USA reist, sollte sich unbedingt ein Rodeo ansehen, es lohnt sich wirklich!

Am späteren Nachmittag fahren wir zurück nach Loveland, unsere nächste Station auf dem Programm heisst Rocky Mountain National Park. Dort soll es Elche und Bären geben...

Brrrrrrrrrrrroooooooooaaaaaaaaaahhhhhh!

Auszug aus dem Tagebuch No. 3 / Von Pannen, Schiessereien, Winnetou und höllischen Süssigkeiten

Als wir am nächsten Tag vorfahren und Frank und seine Freunde Rob und Gilbert hören, dass sich in meinem Chevy ein KTM-Puzzle befindet, bewaffnen sie sich alle mit Fotoapparaten um den Augenblick für die Ewigkeit festzuhalten. Als wir die Türen öffneten und ihre sprachlosen Gesichter sahen, mussten wir alle lachen. Dann ging’s ans Ausladen. Nach einigen Gesprächen beschlossen wir hier zu bleiben, bis Guido’s Maschine wieder läuft. Am nächsten Tag geht’s los und Guido wird von uns um neun zur Arbeit gebracht. Esthi und ich widmen uns den Einkäufen und gehen auf die Suche nach einer Occassion für sie selbst. Leider werden wir auch nach mehreren Stunden nicht fündig, es scheint wesentlich einfacher, ein Auto zu kaufen. Wenn ich daran denke, dass ich bereits knapp eine Woche gebraucht habe, wie wird das wohl mit Esthi’s Maschine rauskommen?! Abends holen wir Guido ab und geniessen den Abend auf dem lokalen Camping „Cactus County“ bei Bier und Steaks. Oder waren es Steaks und Bier? Am Freitag, den 29. Juni, stellen die beiden fest, dass sich bei der KTM der Antrieb der Wasserpumpe (ein turbinengleiches Schaufelrad) in Ihre Einzelteile aufgelöst hat. Diese schwirren frisch fröhlich irgendwo im Kühlsystem herum und sorgen damit für die seltsamen Geräusche. Frank und Guido finden vier der fünf Schaufeln, die letzte bleibt verschollen.

Frank hat solche Ersatzteile nicht an Lager, doch wir finden einen KTM-Dealer in Phoenix AZ. Für einen Kurierdienst ist es leider schon zu spät also fahren wir die 150 Meilen am Samstag selber nach Phoenix. Da Phoenix eine richtig grosse Stadt mit etwas ausgeprägterem Nachleben ist, wollen wir dort übernachten. Ausserdem soll es hier viel mehr used motorcycles geben als in Tucson (sprich „Tuussonn“). Und, Rob Halford von Judas Priest lebt hier! Warum also nicht im Telefonbuch nachschauen und einfach mal anrufen: „Hi Rob, we are the guys from Switzerland and would like to have a couple of drinks with you...“

Diese Idee setzen wir jedoch schlussendlich doch nicht in die Tat um, auch Esthi’s Motorradkauf fällt flach. Dafür gehen wir in’s Kino und schauen anschliessend in einigen der lokalen Rockclubs vorbei. Ich für meinen Teil stelle fest, dass weder die Konzerte, noch die Eintrittspreise meine Welt sind. Noch ein Club und wir machen uns auf den Rückweg nach Tucson, da springt der Chevy plötzlich nicht mehr an! Vielleicht hat er ja ein wenig heiss bekommen, in Phoenix ist es sogar um Mitternacht noch angenehme 38 Grad warm... Wir warten eine halbe Stunde und tatsächlich, die Nähmaschine läuft wieder, also auf zum nächsten Club. Auch da bleiben wir nur auf einen Drink, jetzt geht’s zurück nach Tucson. Schlüssel rein und drädrädrä, nichts geht! Nochmal, drädrädrädrä, nichts! So eine Scheisse! Nix mit go to Russia, damned! Wir versuchen, das Problem einzugrenzen: Strom? Gut! Benzin? Gut! Benzinpumpe? Gut! Kerzen? Ein Achtzylinder läuft auch auf zwei Zylindern, also kann da nicht das Problem liegen. Aber was dann? Uns bleibt nichts anderes übrig, als eine Mütze Schlaf zu nehmen, es ist schon nach vier. Esthi liegt quer vorne über den Sitzen, Guido wie Penner neben dem Wagen und ich auf dem Gepäck. Kurz vor sieben wache ich auf, die Sonne verbrennt mir fast die Füsse, weil ich die Hecktüren offengelassen habe, damit wenigstens etwas frische Luft in den stickigen Wagen kommt. Ich versuch’s noch mal mit dösen aber es geht nicht, zu heiss! Glücklicherweise ist nebenan ein Autohändler, vielleicht kann der uns ja helfen? Doch es ist Sonntag, welches Geschäft hat denn schon Sonntags geöffnet? Ich schlurfe müde hin und tatsächlich, der Dealer macht um 8 Uhr auf! Die Hoffnung stirbt bekanntlich nicht so schnell. Also warten wir bis Acht, doch leider verkauft der gute Mann nur Ersatzteile. Aber wir dürfen sein Telefon missbrauchen und nach vielen erfolglosen Gesprächen finden wir einen mobilen Mechaniker, der um 10.00 Uhr eintrudelt. Hoffnung! Bereits nach kurzer Zeit stellt er fest, dass die Benzinpumpe keinen Druck aufbaut, also muss eine neue her. War da nicht ein Teilehändler? Leider hat der aber keine für mich auf Lager. Wie war das noch mit den Ersatzteilen für den Chevy Suburban? X-millionenmal gebaut und keine Benzinpumpe da? Toll!!! Doch eine andere Filiale hat einen... Wieder Hoffnung! Guido und ich laufen bei 43 Grad hin und sind fix und foxi als wir wieder zurückkommen. Es waren doch nur 20 Minuten... Der Mechaniker ist zwischenzeitlich wieder weg, er muss irgendwo noch eine Klimaanlage einbauen. Gegen 15.00 Uhr kommt er wieder zurück und fängt an zu arbeiten. Nach zwei Stunden in der Hitze scheint er fertig zu sein. Wieder Hoffnung! Er dreht den Schlüssel, drädrädrädrä, nichts! Drädrädrädrä, wieder nichts! Dann klettert er unter den Wagen, fummelt irgendwas, drädrädrädrä, wrrrummmm... Die Kiste läuft, jippieh!!! Wir starten den Chevy es ein paar mal zur Probe so lange der Kerl noch da ist, es funktioniert! Endlich!!! Der Spass kostet mich knapp 500 bucks, knirsch! Aber lieber hier als irgendwo im nirgendwo...

Am Montag bringen wir Guido wieder in die Werkstatt, Esthi und ich haben heute Wasch- und Pooltag! Vorher aber noch schnell in einen Starbucks, deren Brühe ist dem, was wir Kaffee nennen, wohl am nächsten. Hätte ich doch nur meine Nespresso mitgenommen... Mitten in der Fahrt stirbt der Chevy ab! Ich lasse ihn im Morgenverkehr rollend wieder an, er läuft! Ein komisches Gefühl beschleicht mich. Da stellt er schon wieder ab! Und läuft wieder an. Wir fahren bei Walmart auf den Parkplatz und das war’s! Das Geräusch kenne ich schon: Drädrädrädrä... Es geht gar nichts mehr. So eine Scheisse! Und viel kühler als in Phoenix ist es in Tucson auch nicht gerade! Da klingelt mein Handy, meine Mam! Irgendetwas mit meiner Autoversicherung stimmt nicht, es fehlt ein Code. Wenn ich den nicht innerhalb zwei Wochen melde, setzt die Versicherung aus. Verdammt, woher soll ICH denn diesen blöden Code wissen? Wenn ich den Typ von Allstate im meinem Leben noch einmal antreffen sollte, dann werde ich ihn erschiessen und in Boot Hill begraben! Aber ob ich will oder nicht, ich werde ihm anrufen müssen. Im nächsten Moment piept Esthi’s Handy, die PAX hat ihren Antrag auf EU-Rente grundlos abgelehnt! Ja nimmt denn das Pech heute gar kein Ende mehr??? Wir beschliessen, diese Dinge nach dem Auto in Angriff zu nehmen.

Wir stehen also wieder mal auf einem Parkplatz. Im Walmart fragen wir uns durch, bis wir den Weg zum nächsten Mechaniker wissen. Dort finden wir keine grosse Hilfe, die Bude ist voll bis unters Dach und übermorgen ist der 4. Juli, Independence Day. Zumindest dürfen wir auch hier kostenfrei das Telefon benützen. Frank findet einen Mechaniker, der den Chevy morgen reparieren kann. Aber wie kommt der dorthin? Es bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Abschleppdienst zu organisieren. Eineinhalb Stunden später hängt der Chevy am Seil. In der Zwischenzeit habe ich einen Mietwagen besorgt, dass wir zumindest fahrbar sind. Wir fahren dem Abschlepper hinterher zur Garage, mir ist zum heulen zumute...

Zurück bei Frank erfahren wir, dass die KTM morgen fertig sein wird. Na gut, dann halt noch einen Tag länger in Tucson. Tatsächlich wird mein Wagen am Tag vor Independence Day fertig, puh! Auch Guido’s Töff läuft offenbar wieder einwandfrei. Ich liefere bei der Garage 622 Dollar ab, das Steuerungselement der Benzinpumpe hatte einen Kurzschluss und hat dabei die neue Pumpe gleich mit erledigt. Aber jetzt läuft das Kerlchen wieder und der Allgemeinzustand ist laut Mechaniker einwandfrei. Na, schau ma mal...

Tatsächlich läuft auch die KTM wieder, als wir alles geregelt haben, haben wir für Franks Hilfe ein paar kleine Abschiedsgeschenke vorbereitet. Zip, sein Hund bekommt ein Hundespielzeug, mit dem er gar nichts anfangen kann, weil er so was noch nie gesehen hat. Ausserdem gibt’s einen Kauknochen, den Zippie auch noch nie gesehen hat. Aber der Knochen scheint magische Kräfte zu haben, er wird sofort hinter dem Haus für schlechte Zeiten vergraben. Frank bekommt einen Sack Bohnenkaffee von Starbucks. Wir wissen inzwischen, dass dies seine Lieblingssorte ist. Im weiteren haben wir die Schweizerkuh etwas umpräpariert und überreichen sie Frank als Andenken.

Den Sihl+Eika Leuten danke ich auf diesem Wege vielmals für die Kuh! Ihre Reise ist in Tucson, Arizona zu Ende und sie fühlt sich bei Frankie und Zippie sau-, sorry, kuhwohl...

Nach den obligaten Abschiedsfotos finde ich an Franks Blackboard eine Notiz hängen. Bis wir kamen, ist es noch niemandem gelungen, diese Notiz laut und ohne Fehler vorzulesen. Ihr könnt es gerne mal probieren, aber schliesst die Türen Eures Büros! Wenn der Chef das hört, gibt’s ganz bestimmt keine Lohnerhöhung:

 

Nun können wir den 4. Juli in Ruhe geniessen. Zur Feier des Tages gibt es wieder mal Steaks, Bier und Cuba Libre. Wir lernen auf dem Zeltplatz Rösli und Hans kennen, sie wohnen in Muttenz, sind pensioniert und kommen alle drei Monate für drei Monate in die USA. Und eine nette Nachbarin haben wir auch, sie wohnt nur fünf Schritte neben uns und ihr Name ist Emma.

 

Eigentlich dachten wir, der Unabhängigkeitstag sei ein grosses Fest in Amerika. Party und gute Laune überall. Doch wir waren wohl die, die am meisten und längsten gefeiert haben. Ja was soll man denn sonst tun bei der Hitze?

Am Donnerstag, 5.Juli geht’s aber endlich wieder weiter. In Tuscon ist wohl die US Air Force der grösste Arbeitgeber. Neben einer Luftwaffenbasis (die man sich eben nicht ansehen darf) gibt es auch ein riesiges Gelände, es ist das PIMA Air and Space Museum. Eigentlich ist es eine Mischung zwischen riesiger Schrotthalde, Ersatzteillager, Einsatzbereitschaft, Abstellkammer und Sammlung.

 

Hier stehen Tausende und Abertausende von Militärflugzeugen auf einem riesigen Gelände mitten in der Wüste. Die US Air Force hat diesen Platz ausgewählt, weil die Mischung zwischen Bodenbeschaffenheit und Klimabedingungen den Flugzeugen am wenigsten schadet. So können die Flieger gelagert werden oder sind relativ schnell wieder einsatzfähig. Manche dienen nur noch als Ersatzteillager oder als sightseeing für uns Touristen.

Wer den Film „Con Air“ mit Nicolas Cage gesehen hat, kennt das PIMA Gelände. Hier wurde ein grosser Teil des spannenden Streifens aufgenommen. Das Gelände ist dermassen gross, dass man es als Besucher nur in einem klimatisierten Reisebus erfa(h)ren kann. Gott sei dank! Wir also rein in den Bus und los ging’s mit der Führung. Für mich war es eine äusserst interessante Führung, in meiner Jugend hatte ich die meisten der gezeigten Typen als Modell gebaut. Kriegsgegner und -kritiker könnten jetzt natürlich ziemlich scharfe Fragen stellen aber wir lassen der Weltmacht USA jetzt mal ihre Spielzeuge. Ausserdem gibt es auf der Welt nichts vergleichbares wie das PIMA Feld. Oder haben wir Schweizer so was ähnliches im Gotthard versteckt?

 

Wir fahren heute noch weiter bis Tombstone, AZ. Ein Gerücht besagt, hier sei die Zeit stehen geblieben und es gelten noch immer die Regeln des Wilden Westens. Wenn das keine Einladung für uns ist? Kaum angekommen, stellen wir fest, dass erneut ein Körnchen Wahrheit an besagtem Gerücht ist. Natürlich ist die Wild-West-Romantik hier totale Show aber im Herbst kommen täglich bis zu 50'000 Besucher nach Tombstone (sprich „tuumstoun“). Wir haben Glück und müssen uns nicht mit den Touristenströmen wälzen, sondern können ganz gemütlich die Szenerie geniessen. Logischerweise verpassen wir die letzte Schiesserei um fünf Minuten, also bleibt uns nur, hier zu übernachten. Der örtliche Zeltplatz ist ein Abriss sondergleichen! Leute, zahlt die paar Dollar mehr und übernachtet gleich in einem der liebevoll gestalteten Motels, es lohnt sich... Für uns ist es noch zu früh zum essen, also stöbern wir in den Läden nach lustigen Artefakten und werden prompt fündig:

 

Zuvor muss ich mich aber den örtlichen Gegebenheiten entsprechend kleiden. Mein Westernoutfit habe ich aufgrund Platzmangel leider zuhause lassen müssen aber meine Boots dürfen hier auf keinen Fall fehlen. Es ist ein komisches Gefühl, nach drei Wochen wieder Schuhe an den Latschen tragen zu müssen.

 

Der Besitzer der Kutsche macht seinen Laden dicht und emigriert mit seiner Familie nach London. Ich denke kurz darüber nach, ob ich am nächsten Ami Car-Treffen in Zuchwil mit diesem Mobil vorfahren soll, verwerfe die Idee jedoch gleich wieder, die MFK würde mir ganz sicher einen dicken Strich durch die Show machen...

Die Läden schliessen hier um fünf, für uns heisst das, auf in’s Apero! Wer kann denn ernsthaft schon um fünf an’s Abendessen denken? Natürlich denken wir sofort an einen der zahlreichen Saloons, unsere Wahl fällt auf Big Nose Kate’s Saloon. Hier dringt nicht nur am meisten Lärm auf die Strasse, auch die Bedienung spricht für sich...

Ausserdem muss man vor dem Eintreten, die Hinweisschilder beachten, sonst gibt’s Ärger:

 

So, jetzt haben wir aber anständigen Durst, also geben wir rasch die erste Bestellung durch, doch bevor man Trinken darf, muss bezahlt werden. Noch mehr Bräuche aus alten Zeiten...

 

Wir kommen ziemlich spät zum Abendessen, so war das eigentlich nicht geplant. Aber was soll’s...

Freitag, 6 Juli:

Am nächsten Tag sind wir wieder bereit für Tombstone und seine Shows. Wir sehen uns eine der zahlreichen und offenbar tatsächlich stattgefundenen Schiessereien an, die von freiwilligen Schauspielern nachgespielt werden. Die ganze Show ist ziemlich witzig und wie im Film kommt zu guter Letzt der Sheriff und alles wird nach alter Wild-West-Tradition geregelt. Nach der Show bitten wir natürlich um Autogramme.

 

Offenbar dauert es nicht lange, bis sich rumgesprochen hat, dass ein paar neue Greenhorns in der Stadt sind. Das lokale Empfangskomitee bemerken wir wohl aus den Augenwinkeln aber wir sind uns ja auch keiner Schuld bewusst und denken uns nichts böses. Wir wissen bis heute nicht genau, was sie von uns wollten...

 

Samstag, 7. Juli

Unser heutiges Ziel heisst Montezuma Castle, es soll eines der besterhaltenen Indianer Pueblos sein. Wieder merken wir, dass die Sonne in Arizona unheimlich heftig brennen kann. Auf dem Spaziergang vom Eingang bis zum Pueblo kommen wir gar nicht mehr zum schwitzen, auch wenn wir kiloweise Wasser in uns hinein leeren, der Körper kann einen Stoffwechsel bei solchen Temperaturen (Guido’s Temperaturmesser zeigt 42 Grad...) gar nicht schnell genug verkraften, deswegen reichen die obligaten zwei Liter Flüssigkeit pro Tag nirgendshin. Es braucht mindestens die doppelte Menge, ohne dass der Körper nicht austrocknet. Aber zurück zu Montezuma und seinem Schloss:

 

Die Anazasi-Indianer sollen hier etwa 1'000 Jahre lang gelebt haben. Im Gegensatz zu den nördlichen Stämmen waren sie sesshaft und haben bis ca. im Jahr 500 n. Chr. Ackerbau und Viehzucht betrieben. Warum sie plötzlich verschwanden ist auch heute noch nicht genau bekannt. Schade eigentlich, ich wollte so gerne N’tscho Tschi, Winnetou’s kleine Schwester kennen lernen. Ihr Pech! Wir fahren weiter in Richtung Norden, dort warten die ersten Nationalparks wie Petrified Forest und der Canyon de Chelly auf uns. Endlich geht’s los...

Unterwegs dorthin machen wir noch einen kleinen Abstecher nach Sedona. In diesem Nest wimmelt es von Künstlern und Hippies, das Städtchen liegt malerisch gelegen in einem steilen Tal, sogar ein Starbucks mit Aussicht lässt sich für uns auftreiben. Die Red Rocks von Sedona sind wunderschön, verständlich, dass sich hier so viele Maler und Hippies niedergelassen haben.

 

Wir lassen Sedona hinter uns und folgen dem Highway weiter Richtung Norden. Er führt uns ohne es zu merken auf knapp 2'000 Meter Höhe aber durch eine wunderschöne Schlucht mit unzähligen Campingplätzen. Hier sieht es aus wie im Jura, ok, nicht ganz, die Autos sind grösser. Wir hätten gerne hier übernachtet, doch leider sind alle Plätze restlos ausgebucht. Wir fahren weiter bis Flagstaff und finden in einer Recreation Area (parkähnliches Erholungsgebiet) ein schönes Plätzchen. Und das für gar kein Geld! Nachts ist es angenehm kühl, endlich kann man mal richtig schlafen ohne zu schwitzen.

Sonntag, 8. Juli:

Wir fahren weiter Richtung Nordosten, der Petrified Forest National Park wartet auf unseren Besuch. Petrified Forest bedeutet versteinerter Wald. Also sehen wir uns die versteinerten Bäume an. So richtig spektakuläres gibt es darüber eigentlich nicht zu berichten, ausser, dass die Bäume halt alt sind. Sonst wären sie ja wohl nicht versteinert, oder?

Etwas weiter im Norden des Parks kommen wir dann doch noch zu einem kleinen Highlight. Eine überhängende Klippe lädt uns zu einer witzigen Fotosession ein. Gut, dass hier kein Park Ranger in der Näher sind. Die hätten sicher was zu motzen, weil wir hinter die Sicherheitsabschrankung geklettert sind. Aber so ein Foto ist es schliesslich wert! Und wer hat denn schon Höhenangst?

 

Interessanterweise führt die berühmteste Strasse der USA genau durch den National Park. Richtig, es ist die Route 66! Leider ist die Mutter aller Strassen auf vielen Teilstrecken sehr verkommen, teilweise gibt es sie gar nicht mehr. Es kursieren aber Gerüchte, dass sich eine Gilde zusammengetan hat, die die alte Route 66 wieder herstellen will. Mir soll’s recht sein, wenn ich dann wieder hier vorbei komme (und diesmal am liebsten auf einer richtig lauten Harley), darf sie ruhig restauriert sein.

 

Langsam neigt sich der Tag dem Ende und es folgt ein wunderschöner Sonnenunter-gang. Guido und Esthi fahren mit der KTM (hinter einer Absperrung) auf eine Klippe und geniessen die romantischen Momente. Ich lasse ihnen die paar Minuten Ruhe und warte auf dem Parkplatz um zu studieren, wo wir wohl heute für kein Geld übernachten könnten. Plötzlich bemerke ich eine Bewegung neben mir. Wie könnte es anders sein, ein Park Ranger. Die Ranger sind in den Parks die gesetzliche Exekutive, also etwa mit der Polizei oder dem Sheriff gleichzusetzen. Es bedeutet also wieder Ärger, woher kenne ich das bloss? Wir werden alle drei aus dem Park geschmissen...

Wir fahren noch eine Zeitlang bis es dunkel wird und biegen in irgendeine Strasse ab, die bald zur unbefestigten Sandstrecke mutiert. Dann nach ein paar Kilometern links abgebogen, in einen noch engeren Feldweg. Der führt auf einen Hügel und oben angekommen, endet er vor einem Wohnwagen, der ziemlich unbewohnt aussieht. Wir diskutieren gerade, ob wir hier bleiben wollen, da bemerken wir leuchtende Augen in der Dunkelheit, die hinter dem Wohnwagen hervorlugen. Sie kommen näher und entpuppen sich als riesiger Wachhund. Offenbar ist der Wohnwagen doch irgenwann bewohnt. Uns ist hier überhaupt nicht zum übernachten zu mute, wer weiss, wann der Köter das letzte Mal was zu fressen bekam. Und seine Instinkte betreffend (Be-)Wachhund wollen wir auch nicht testen, also verschwinden wir lieber wieder. Ein paar Meilen weiter auf der Sandstrasse, dann rechts abgebogen und wieder ein paar Meilen die Strasse entlang. Das Ausgangsrayon des Vierbeiners wird wohl nicht bis hierher reichen. Hinter ein paar Büschen verstecken wir den Chevy, die KTM und das Zelt. Es ist nachts immer noch sehr heiss und die Mücken sind mörderisch. Alles mitgebrachte Chemiezeug nützt nichts.

 

Am nächsten Morgen sieht aber alles ganz friedlich aus. Nur das kribbeln auf der Kopfhaut verwandelt sich langsam in ein nervendes Jucken... Dennoch erfreuen wir uns am Gedanken, dass wir wieder ein paar Mücken gespart haben.

Montag, 9. Juli:

Heute ist der Canyon de Chelly an der Reihe. Ich weiss nicht mehr genau, wo wir genächtigt haben aber ich weiss noch, dass es langsam anfing zu kribbeln auf der Kopfhaut. Aber das geht vorbei... Im Canyon de Chelly haben viele hundert Jahre lang Indianer gelebt und Viehzucht und Ackerbau betrieben. Neben der Land- und Viehwirtschaft haben sie sich einen neuen Erwerbszweig angeeignet: den Tourismus. Und den betreiben sie zum Teil richtig exzessiv. Wir sind zwar alle mit unserem Jahrespass in den Park hineingekommen ohne extra bezahlen zu müssen, doch wer in die Schlucht hinunter will und sich die Bauten und Felder anzusehen, muss 150 Dollar abdrücken. Und das für einen geführten, mehrstündigen Spaziergang in sengender Hitze. Nein, danke!

 

Dennoch hat mir der Canyon de Chelly (sprich „Schelli“) auch von oben gut gefallen, insbesondere der Spider Rock mit seinen beiden senkrechten Türmen, die immerhin auf über 100 Meter Höhe kommen. Beim Betrachten kommt mir eine Idee, mit der sich vielleicht Geld verdienen lassen könnte: Warum nicht ein paar Seile kreuz und quer über die Schlucht spannen, eine Schaukel und ein bisschen Bungee-Zeug dran und schon könnte man Elite-Manager, die geistigen Ausgleich brauchen, ein bisschen hin und her schaukeln und baumeln lassen. Abends wird in Teams gekocht und Zelten geschlafen. Ein bisschen blabla hier, Disziplin da und schon kommen die Millionen angeschaukelt. Hey, Sihl+Eika, wie wär’s mit dem nächsten Endjahres AD-Meeting hier?

Am Abend gibt es in Cortez, CO endlich die heiss ersehnte Dusche. Endlich Schluss mit dieser Kratzerei, dammi! Im Anschluss folgt unser erster Besuch in einem Pizza-Hut. Die nette Bedienung, Megan, bringt uns eine der begehrten Käse-Wähen.

Dienstag, 10. Juli:

Guido hat sich mit irgendwas den Magen verdorben. Wir beschliessen einen Ruhetag einzulegen und verbringen diesen grösstenteils am Pool. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund kommen wir aber wieder nicht zum Karten schreiben. Die Dinger schleppen wir nun schon seit Tucson mit uns rum. Immer dieser elende Ferienstress...

Mittwoch, 11. Juli:

Wir wollen weiter, unser nächstes Ziel heisst Mesa Verde National Park in Colorado. Schon wieder Indianer-Zeug, wo steckt bloss N’tscho Tschi? Mesa Verde ist die grösste und besterhaltene Siedlung der nord-amerikanischen Ureinwohner. Wir sind deshalb kaum erstaunt, als wir auf ständig volle Parkplätze treffen. Ausserdem sind ja immer noch Schulferien und wir schliessen uns notgedrungen den Massen an. Es wird aber recht knifflig, Fotos ohne Volk drauf zu machen.

 

Und auf den Spaziergang (gegen geringes Entgeld natürlich!) zu den Ruinen verzichten wir dankend. Dafür erfreuen wir uns an anderen Bewohnern, die sich neugierig zwischen den Büschen herumtreiben.

 

Bevor wir Mesa Verde aber verlassen, muss ich noch einen letzten Halt machen und einen ganz bestimmten Ort besuchen. Offenbar habe ich ja etwas damit zu tun, oder nicht?

 

Die Fahrt in Richtung Nordwesten - wir wollen in den Arches National Park - ist furchtbar langweilig. Es ist heiss, das Benzin wird langsam knapp und ich habe eine richtige Krise. Mann, ich könnte jetzt auf der Stelle und sofort einschlafen! Endlich kommt Monticello in Sicht, hier wird ein Tankstopp gemacht. Da es bis Moab noch ein ganzes Stück geht, und ich sicher wieder müde werde, kaufe ich einen Sack Bonbons. Die Packung sieht recht witzig aus...

 

Als wir wieder on the road sind, schiebe ich mir eines dieser Dinger in den Mund und bereue drei Sekunden später alles! Verteufeltes Hexenwerk!!! Die Dinger sind so scharf, dass mir die Tränen kommen. Fenster runter, bzzz, weg mit dem Ding! Als sich meine Nerven in der Mundhöhle langsam wieder beruhigen, stelle ich fest, dass da hochkonzentrierter Pfeffer gemischt mit Zimt und allerlei anderes drin sein muss. Kein Wunder heissen die Dinger atomare Feuerbälle...

Ein Gewitter zieht auf und wir halten kurz an, damit Guido seine Regenjacke anziehen kann. Esthi setzt sich zu mir in den Wagen und wir fahren weiter. Nach einigen Minuten frage ich sie „Hey, probier doch mal eines dieser Bonbons...“ Es dauert nicht lange und ich höre ein Geräusch: Bzzzz – Spuck!

Brrrrooooooaaaaaaahhhhhh....

Hell-Pit on wheels

Auszug aus dem Tagebuch No. 2 / Von Texas über New Mexico nach Arizona

Donnerstag, 28. Juni 2007, 00.30 Uhr:

Es wird leider Zeit, meinen heissgeliebten Mustang zurückzugeben. Schade, das Auto hat mir wirklich gepasst, als wäre es für mich gemacht. Aber meine neue Wohnung ist bereit zur Übernahme und ich freue mich auf meinen Chevy Suburban 5.7 V8 LT. Platz muss er haben und das hat er. Ich habe mich für den blauen entschieden. Mit Todd verhandle ich noch 200 Dollar nach unten und dann sind wir uns einig. Inklusive aller Steuern und Taxen zahle ich Todd US$ 5'950.—bar auf die Hand und dann gehört er mir. Obwohl wir vorher vereinbart hatten, dass ich den Wagen frisch geprüft bekomme, kann sich Todd plötzlich nicht mehr an diese Zusage erinnern. Wie könnte es auch anders sein, oder? Na ja, ich finde dann schon einen Weg, Hauptsache, ich kann endlich abfahren. Jetzt nur noch eine Versicherung abschliessen. Bei der lokalen Allstate Niederlassung scheint alles gut zu klappen, doch darauf komme ich später noch mal zurück.

Ich bringe den Mustang wehmütig zum Flughafen zurück und werde von einer Lady, der ich 50 Dollar für den Taxidienst versprochen habe, zu meinem Chevy nach Joshua gefahren. Auf dem Rückweg zum Hotel kehre ich bei Walmart zum Einkaufen ein. Ich brauche ein Bettchen, Decke, Kissen und all so Zeug. Dann muss ich den Schlafbereich verdunkeln können. Mit meinen Erfahrungen in Australien anno 91/92 verzichte ich auf Folien, also kommen nur noch Vorhänge in Frage. Ich hänge über drei Stunden im Laden rum und überlege mir eine Konstruktion nach der anderen. Schliesslich muss sie funktionell sein und gleichzeitig den Wagen nicht zu stark beschädigen. Aber Walmart hat wirklich alles... Auf Gaskocher, Kühltruhe und Stauboxen verzichte ich vorläufig, das kann ich später auch noch besorgen. Kurz nach 23.00 Uhr verlasse ich den Laden, in dieser Hinsicht ist Amerika wirklich geil!

Tags darauf fahre ich gegen Mittag los in Richtung Victoria, TX zu meiner Tante Monika, das sind über 400 Meilen. Ich habe schon festgestellt, dass das Fahren in den USA wesentlich entspannender als in Europa. Ausserdem wähle ich Strecken abseits der grossen Highways, hier ist weniger los und ich geniesse die texanische Landschaft.

Gegen 19.00 Uhr treffe ich in Victoria ein. Es gibt ein herzliches Willkommen, obwohl wir uns noch nie begegnet sind! Es wird viel geplaudert und wir kommen alle spät ins Bett. Am Samstag erkläre ich den beiden, dass ich den Wagen noch frisch prüfen lassen will, damit ich unterwegs keine Scherereien habe. Pat bringt mich zu einer Werkstatt, die die Inspektion vornimmt und den sog. Inspection Tag bewilligt. Doch kaum sind wir dort, scheint meine Versicherung nicht gültig zu sein. Wir rennen von Pontius zu Pilatus und machen sämtliche Hotlines des Service Centers von Allstate verrückt. Doch es ist Samstag und da arbeiten die Versicherungen nun einfach nicht! (Nebenbei bemerkt, am Samstag arbeitet alles, sogar die Banken...) Doch Pat und ich geben nicht auf! Wir machen sogar die Privatnummer des Kerls, der mir die Police ausgestellt hat, ausfindig. Leider erklärt uns die nette Dame am Telefon (wahrscheinlich seine Ex-Frau), dass der Typ hier nicht mehr wohnt und unter dieser Nummer nicht mehr erreichbar ist. Beschissene Situation, denn ich weiss, dass ich diese Inspektion in Victoria und in Texas machen muss. Wenn ich sie in einem anderen Staat machen will, wird’s richtig kompliziert! Ich erkläre der Lady die ganze Sache und bitte um Rückruf ihres Ex. Aber natürlich hören wir das ganze Wochenende nichts von ihm. Logisch, oder? Meine 512 Dollar hat er ja im voraus und bar kassiert. Ich könnte kotzen vor Wut und langsam fange ich an der Zuverlässigkeit der Amis an zu zweifeln. Schon ein Wochenende mit rumhängen vergeudet...

Plötzlich melden sich Guido und Esthi per sms. Sie sind nur drei Dörfer weg von Victoria, haben aber ein gröberes Problem mit Guido’s KTM. Sie läuft schnell heiss und aus dem Motor kommen seltsame Geräusche. Ich setze mich in den Chevy und wir treffen uns im lokalen Dairy Queen in George West. Endlich sieht man sich wieder!!!

Es gibt ein grosses Hallo, die anderen Gäste strafen uns mit seltsamen Blicken aber das ist uns ziemlich egal! Mir fällt in dem Moment nur der Slogan des lokalen Rocksenders ein: „Shut up and rock!“ Wir überlegen uns, was wir in dieser Situation am besten tun können. FastGuido hat eine Liste aller KTM-Vertreter in Texas dabei. Es gibt einen in Houston, einen in San Antonio, einen in Fort Worth und einen in El Paso. Houston liegt distanzmässig am nächsten und wir beschliessen erst mal, die Vertrauenswürdigkeit vorort zu prüfen. Nach Guido’s schlechten Erfahrungen in Kapstadt macht es Sinn, sich erst mal einen Händler anzuschauen und ein paar Worte mit den Mechanikern zu wechseln. Da Wochenende ist, können wir sowieso nicht viel erreichen, also auf nach Victoria. Aber wie kriegen wir den Töff dahin? Tja! Wie gut, dass ich ein ziemlich grosses und vor allem langes Auto gekauft habe...

So verstaut fahren wir in ein Motel. Eine Absteige, in der ich selbst nicht wirklich wohnen möchte. Aber wir verbringen Samstag und Sonntag ziemlich lustig und herzhaft miteinander. Natürlich steht auch ein mehrstündiger Besuch im lokalen Walmart an...

Am Montag Morgen fahren Pat und ich zu Allstate Insurance. Während wir dort den Leuten erklären, dass ich eine Bestätigung der Police zur Inspektion benötige, ruft uns Monika an. Der Typ, der mir die Versicherung verkaufte, hatte gerade angerufen und uns aufs übelste beschimpft, wie unfähig wir alle seien. Pat war ausser sich und ich habe selten einen Menschen gesehen, der so nahe an einer Explosion war. Doch das wird ein Nachspiel für den Pflock geben! Nicht, dass ich rachsüchtig wäre aber vielleicht verliert er nach seiner Frau auch noch seine Zulassung als Makler. Ok, ich geb’s zu: Ich bin doch ein bisschen rachsüchtig. Ich hoffe nur, dass ich vorher noch meine Police bekomme... Zumindest haben wir’s dann hingekriegt und meine Inspektion war eine lumpige Sache von genau 10 Minuten und 14 Dollar! Die Prüfung läuft folgendermassen ab: Ein Mechaniker setzt sich in Dein Auto und fährt einmal um’s Haus. Danach prüft er, ob das Licht und die Blinker funktionieren. Fertig! Vielleicht sollte man unserer MFK mal dieses Modell vorschlagen? Ok, dafür sind die Harleys und V8er ein klein wenig lauter hier und Nachbar Müller hätte wahrscheinlich schon lange Schlafstörungen...

Anschliessend ging’s ans Abschied nehmen. Monika und Pat fliegen Anfang Juli nach Europa in Urlaub. Schöne Grüsse zuhause!

Esthi, Guido und ich machen uns auf den Weg. Anstatt nach Houston, beschliessen wir lieber nach El Paso zu Mr. Motorcycle zu fahren. Das liegt viel eher in unserer allgemeinen Reiserichtung Westen und für zwei, drei Tage wird es zu dritt mit der KTM im Schlafzimmer und dem ganzen Gepäck schon gehen. Unterwegs kehren wir noch in einem Liquor Store ein, Guido kauft eine Flasche Southern Comfort, ich habe meine Flasche Jim Beam Rye (für eine ganz spezielle Gelegenheit) schon vor einigen Tagen besorgt. Wir fahren gegen 13.00 Uhr in Victoria ab und schaffen an diesem Tag noch knappe 400 Meilen (ca. 650 km). In Sonora, New Mexico – mitten im Nichts – campen wir und grillen ein paar Steaks. Dazu Motörhead und Metallica in der richtigen Lautstärke und bereits nach kurzer Zeit haben wir Ärger mit dem Sheriff. Wieder fällt mir ein Slogan eines Radiosenders ein: „If you don’t like it, go to Russia!“

Seltsamerweise kann sich am nächsten Tag keiner von uns erinnern, wo die zweite Hälfte vom Southern Comfort hingekommen ist?! Der Jim Beam war vorher schon alle, das haben wir noch erlebt. Ok, Motörsister ist aus dem Schneider, sie hat nicht mitgeholfen, aber die Flaschen hier scheinen keine Böden zu haben. Teufelszeug!!! Man beachte mein luftiges Himmelbett, irgendwie hatte ich es dann doch hinein geschafft. Nachts fing es an zu regnen. Ich habe ich mich umgedreht und das war’s! Vielleicht hätte ich ja noch ein grösseres Auto kaufen sollen...

Nach weiteren 600 Meilen (ca. 900 km) sind wir dann in El Paso, Texas angekommen. Hier war es wirklich heiss und die Klimaanlage im Auto machte sich kaum noch bemerkbar. El Paso ist direkt an der mexikanischen Grenze, etwas ausserhalb liegt eine Wüste namens White Sands, die bereits zu New Mexico gehört. White Sands ist berühmt für Ihre schneeweissen Dünen. Hier wurden einige Hollywood-Streifen gedreht, zufällig heisst einer davon White Sands...

Vor vielen Jahren wurden in White Sands Atombombentests gemacht, eine namens Trinity, ist auch heute noch ein Diskussionsthema. Ich habe keine Ahnung, warum darüber noch immer diskutiert wird, habe gar niemanden mit drei Augen angetroffen. Offenbar gilt White Sands als der Geburtsort der amerikanischen Raketenforschung, auch Albert Einstein soll hier kräftig mitgebastelt haben. Es gibt ein Forschungs- und Testzentrum, leider kamen wir einen Tag zu spät um einen dieser Raketentests, die wohl kaum für die Raumfahrt sind, live mit zu erleben.

Trotzdem haben wir als Touristen getarnt versucht, ins Gelände zu kommen aber die Security liess uns leider nicht rein, schade eigentlich! Nach diesem Foto haben wir uns aber schleunigst aus dem Staub gemacht... Wieder in El Paso war es an der Zeit, ein Gerücht zu verifizieren: Hier scheint es offenbar den grössten Harley-Händler der Welt zu geben! Dort angekommen, erwarteten uns ca. 900 fabrikneue Harleys im Showroom! Jedes aktuelle Modell in jeder möglichen Farbe, in jeder möglichen Ausstattung! Dazu etliche Umbauten, Oldies und mehrere 100 Occassionen (im Hinterhof...). Na wenn das keine Reise wert ist? Big Bill, mein Schrauber an der Buell, hatte mir den Tipp gegeben. Ausserdem arbeitet hier sein alter Geschäftspartner Eric Baumgardner. Wir also erst mal durch den Shop. Mann-o-mann! Hier kann nicht nur Frau einen Haufen Kohle liegen lassen, auch für Fiffi gibt’s die komplette Ausrüstung... Bis wir da endlich durch waren, war Eric aber leider schon im Feierabend. Macht nichts, wir kommen morgen wieder.

Eric ist ein netter Kerl, er zeigt mir den ganzen Laden und lässt mich auch einen Blick hinter die Kulissen werfen. Er erklärt mir, dass vergrössert wird. Barnett Harley Davidson ist einfach zu klein!!! So soll die Fläche um zwei Drittel vergrössert werden. Der Ersatzteilhandel scheint zu florieren und Eric’s Hauptaufgabe ist, das Lager neu zu konzipieren. Um erst mal alles rauszuschaffen, damit umgebaut werden kann, stehen drei Dutzend 40’ Container hinter dem Gebäude! Ok, mir soll’s recht sein. Nach dem Umbau stehen halt 2000 neue Harleys rum...

Anschliessend geht’s zu Mr. Motorcycle um die mögliche Operation an Guido’s KTM abzuchecken. Er führt einige Gespräche mit den Mechanikern und stellt fest, dass es ihm wesentlich lieber wäre, die Reparaturen von Frank Zabriskie durchführen zu lassen. Mit Frank hat Guido schon in Südamerika Kontakt gehabt und der scheint ein helleres Bürschchen zu sein, als die, die bei Mr. Motorcycle an den Schrauben kauen. Also auf nach Tucson, Arizona...

 Brrrrooooooaaaaaaahhhhhh....

Hell-Pit on wheels

Auszug aus dem Tagebuch No. 1 – 19. Juni 2006

Heute war mein zweiter Tag hier in Texas. Ich kann nicht sagen, in Fort Worth oder in Dallas, auch nicht in Willow Park oder Weatherford. Schliesslich gurke ich ja die ganze Zeit in der Region herum und schaue mir die Augen aus nach meinem zukünftigen Vehikel. Und das ist beileibe nicht einfach. Aber erst mal der Reihe nach:

 Während der Fahrt zum Flughafen Zürich kam zumindest in mir ein beklemmendes Gefühl auf, langsam bekam ich’s mit, dass ich für ziemlich lange weg bin. Weit weg! Am Flughafen die gewohnte Hektik: Wo ist United, wo anstehen, ist die Buchung korrekt, bla, bla, bla...

 Und schon da wurde ich mit der Dummheit der Amis konfrontiert. Noch vor dem Schalter stand eine ältere Macho-Zofe, die Haare zu einem strengen Rossschwanz gebunden, grässlich abgekätschte Fingernägel, pfui Teufel! Sie schaut auf ihrer Liste nach, ob ich wohl auch drauf bin. Klar bin ich! Dann schaut die Hexe im Computer und sieht meinen Rückflug vom 10. Mai von Chicago via Frankfurt nach Zürich. Natürlich glaubt sie, ich wäre Amerikaner (sie hält meinen CH-Pass in den Händen...) und meint, ich fliege jetzt wieder zurück nach USA, bin ja schliesslich am 10. Mai von Chicago gekommen. Ich versuche ihr zu erklären, dass dies mein Rückflug ist, denn schliesslich geht es ja um den 10. Mai 2008. Irgendwie gelingt es mir nicht, sie zu überzeugen, aber ich darf jetzt einchecken gehen. Wie nett... Hoffentlich habe ich nie wieder etwas mit dieser amazonischen Spinatwachtel zu tun!

 Am Schalter werde ich per Zufallsgenerator (ach ja?) auserkoren, dass mein gesamtes Gepäck einer Sicherheitskontrolle unterzogen wird. Super, denke ich, das war’s mit den tollen Taschenmassern, die ich bei Gelegenheit für besondere Hilfsbereitschaft verschenken wollte. Und schon wieder pralle ich auf den hoffnungslos eingegrenzten Horizont des durchschnittlichen Amerikaners: Die junge und durchaus hübsche Farbige macht eine Ausnahme und überlässt mir die kleinen McGyvers ausnahmsweise. Ich frage mich, wie zum Teufel soll ich wohl während des Fluges in den Frachtraum kommen soll um danach den Piloten, den Copiloten, die Stewardessen und sämtliche Passagiere erstechen zu können???

 Egal, aber der Spass mit der Durchsuchung kostet eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde, die mir fehlt um mich von meiner Mam zu verabschieden. Schicksal, ich hasse Dich! Warum nur machst Du den Menschen so oft traurig?!

Es kommt, wie es kommen musste, wir trinken einen 2-Minuten Espresso und irgendein Typ darf ein Foto von uns machen. Dann zwei feste Umarmungen, zwei erstickte Sätze und das war’s. Das Wasser steht mir in den Augen, ich blicke zurück und sehe meiner Mam nach, stelle mich in die Reihe, blicke noch mal zurück, sie ist schon weg. Verdammi nomol! Ich wollte doch noch so viel sagen...

Jetzt bin ich aber mal gespannt, wie das mit der sagenumworbenen First Class so läuft. Ob man wohl als König behandelt wird? Schaun wir mal, was beim boarding so passiert, beim check-in war’s ja nicht so aussergewöhnlich. Aahh... Verspätung, cool!

Dann die Lautsprecheransage: Die Gäste der First und Business class werden an Bord gebeten. Komisch, so viele Leute, wie schon dastehen, haben doch gar nicht Platz in diesen Klassen... Und die tattrigen der Grufti-Klasse kommen ja sowieso vor allen anderen an Bord. Und die schreienden, nervigen US-kids auch. Und logischerweise auch ihre Eltern, Tanten, Cousinen und Nichten... Egal, ich stelle mich halt hinten an. Dann darf ich auf meinem Platz, 1A, Platz nehmen. Hmm! Scheint wohl schon ein älterer Flieger zu sein...

 Kaum am sitzen, versuche ich aus dem Entertainment Guide schlau zu werden. Irgendwann hab ich das System dann geschnallt und wundere mich einmal mehr, die meisten Filme hab ich schon auf DVD, gekauft, nicht runtergeladen! Eigentlich habe ich sogar noch neuere dabei. Könnte ja mal fragen, ob ich in den Frachtraum darf?!

An der elektrischen Sitzverstellung hantiere ich so lange rum, bis ich mich niedergeschlagen damit abfinden muss: Das Ding wird einfach nicht zum Bett, ein besserer Liegesessel, ok aber niemals etwas bettähnliches. Eine Enttäuschung mehr. Und wie sieht’s mit den super sexy Stewardessen aus? Boah, ich glaube Finnair und United haben eine Art von Job Rotation. In meinem Flieger sind die gleichen Urzeit-Amazonen wie bei bereits erwähnter skandinavischer Airline. Und mein Name ist nicht Brown, verdammi! Der sitzt in der nächsten Reihe, du blöde Schachtel!!!

 Ok, noch eine Enttäuschung, zum Glück gibt’s Jim Beam. Wenigstens da sind die Alt-Prinzessinnen nicht knauserig, nach dem vierten Drink gebe ich auf. Das Verhältnis zwischen Cola und JB hat sich nachhaltig in’s Gegenteil verändert, hicks! Die Hexen wollen wohl Ihre Ruhe vor mir haben, hä?! Nüd isch! Ich esse alles, was auf der Speisekarte aufgelistet ist und bestelle noch ein paar Extra-Portionen Nüsse zum Film. Das wiederum erzeugt Extra-Durst, ätsch!

Zum Schlafen bin ich aber nicht gross gekommen, Jim Beam’s Kopf-Karussell war schuld, macht aber auch nichts, der Film „Shooter“ mit Mark Wahlberg war auch beim dritten Mal noch spannend...

Landung in Washington und anstellen zur Einreise. Jetzt wird’s spannend! Wie lange darf ich wohl in USA bleiben? Drei Monate? Drei Wochen?  Natürlich habe ich ein Turi-Visum, mit dem ich mich zehn (!!!) Jahre zu touristischen Zwecken in den Staaten aufhalten darf aber schlussendlich entscheidet der Zollbeamte. Doch keine Angst, ich bin gut vorbereitet. Habe mein Travel-Concept dabei, meine Kontoauszüge, meine Visitenkarte und auch die ausgefüllten Karten aus dem Flugzeug. Die gebe dem netten Officer ab und warte, was passiert. Er, clever wie er nun mal ist, sieht natürlich mein Visum und stellt fest: „Sie haben die falsche Karte ausgefüllt! Sie brauchen nicht die grüne, Sie brauchen die weisse! Hier, füllen Sie die aus und stellen sich hinten wieder an.“ Vielen herzlichen Dank, Ihr lieben Flug-begleiterinnen!!! Schlussendlich gibt’s dann doch noch ein „Welcome to America, Sir!“ (...er hat wirklich Sir gesagt...) und ich darf bis 15. Dezember mein sauer Erspartes auf amerikanischem Boden ausgeben.

 Damit ich gleich weiter nach Dallas, Texas (die Amis sagen immer den Staat nach dem Ort...) fliegen kann, muss ich erst mein Gepäck entgegennehmen und fünf Meter weiter wieder hinstellen. Und ich dachte, es wäre durchgecheckt bis Enddestination. Der Flieger nach Dallas, TX hat logischerweise Verspätung, genug Zeit also, um mehrmals die Raucher Lounge aufzusuchen. Da drin ist es einfach geil! Allen Leuten wurden bei der Security control die Feuerzeuge abgenommen, mir natürlich auch, und so ist der, der Feuer hat, oder noch eine am brennen, der grosse Star... Wirklich witzig! Wie gesagt, ich mache mir den Spass, dies mehrmals zu beobachten. Ok, ich rauche auch jedes Mal eine...

 Dann wieder First Class Prozedere, siehe oben. Nur, dass es bei nationalen Flügen (auch wenn sie bis zu sechs Stunden gehen können) keinerlei bessere Sitze oder mehr Platz gibt. Alles Monkey Class, nur eine zusätzliche Lunch-Box und jede Menge Softdrinks.

Fazit: Es war enttäuschend! Und zwar von Anfang bis zum Schluss! Also lieber gleich Holz-Klasse fliegen, sooo toll ist es nämlich in der First nun wirklich nicht! Zumindest nicht bei UNITED AIRLINES! Aber weil die Hoffnung ja bekanntlich am Schluss stirbt, bleibt mir noch der 10. Mai 2008 (!) mit Lufthansa...

 Ich bin jetzt also endlich in Dallas, TX angekommen. Jetzt brauche ich einen Mietwagen, also auf geht’s. Ich fackle nicht lange und entscheide mich für einen Ford Mustang Cabrio. Das Ding ist zwar teuer, über 100 Dollar am Tag, aber das leiste ich mir jetzt einfach. Es geht ruck-zuck und ich versuche mich auf dem Highway zurecht zu finden. Dafür ist der Wagen einfach der Hammer, woah! Der Sound beim Gasgeben alleine macht mir schon Gänsehaut...

Die Karte, die mir der Typ mitgegeben hat, taugt gleich viel wie ein Tischset in der Beiz. Trotzdem scheine ich richtig zu fahren aber wann kommt endlich die Ausfahrt 418 und das Hotel? Nach eineinhalb Stunden habe ich es tatsächlich geschafft, auch wenn ich drei Mal um das Hotel gefahren bin, bis ich endlich das System der Einfahrt rausgefunden habe. Meine Reservationsnummer habe ich, doch der Nachtportier findet sie nicht im Computer. Wie gut, dass es noch ein letztes Zimmer frei hat, selbstverständlich ist es teurer als bestätigt, dafür habe ich ja auch drei Betten drin. So kann ich alle zwei Stunden in neuer Bettwäsche pennen, auch cool, oder?

Am nächsten Morgen, es ist Sonntag und erst noch Vatertag, setze ich mich in den Mustang und fange an Autos anzuschauen. In Amerika werden nur Neuwagen mit dem Preis ausgezeichnet, für die anderen, bis auf die ganz billigen Wrecks muss man in’s Office fragen gehen. Und am Sonntag ist das nicht so einfach. Ich fahre also kreuz und quer durch mehrere Countys und stelle irgendwann fest, dass es einfach keine Autos zwischen 2'000 und 5'000 Dollar zu geben scheint, meine Preisklasse. Darunter gibt’s welche aber das Risiko gehe ich auf den langen Strecken sicher nicht ein und die anderen (davon gibt’s brutal viele) will ich mir nicht leisten. Meine Reise soll ja nach Nordamerika noch weitergehen. Nach vielem Suchen und Schauen und mindestens 300 Mal aus- und wieder einsteigen, habe ich ca. 5 bis 6 Fahrzeuge eingegrenzt. Ich muss morgen wieder kommen. Dafür nutze ich die Zeit und gehe mal einkaufen. Nur die wichtigsten Sachen wie Dr. Pepper, Root Beer, Doritos und Beef Jerky.

 Ausserdem fahre ich so oft wie möglich offen durch die Gegend aber die Regenfälle zwingen mich zu ständigem Anhalten und Deckel zumachen. Irgendwo kommen ich dann an einen kleinen See und beschliesse, einmal rundherum zu fahren, ich habe sowieso keine Ahnung, wo ich bin, also kann ich gerade so gut im Kreis fahren. Plötzlich läuft ein Helm über die Strasse! Ein Helm??? Hat Root Beer doch Alkohol, denke ich? Ich rolle langsam näher und stelle fest, dass sich der Helm als Schnapp- oder Sumpfschildkröte entpuppt. Natürlich lugt mich Klein-Schnappi argwöhnisch an und streckt nur ihren Kopf aus dem Panzer. Flugs halte ich an, wobei ich mich nicht zu weit von der Teerstrasse runter wage, denn es sieht ziemlich sumpfig aus dort. Wenn ich da mit meinem Mustang hängen bleibe, komme ich nie wieder raus. Da blockiere ich doch lieber eine halbe Strassenseite aber viel Verkehr hat’s hier eh nicht. Einige fahren ganz langsam vorbei und winken sogar. Schön, die Amis verstehen langsam, was protect wildlife bedeutet. Kaum bin ich fertig und laufe zu meinem Wagen, kommt ein Auto um die Ecke gefahren und ohne zu bremsen fährt das Arschloch über Klein-Schnappi! Zum Glück ist der Panzer wirklich stabil, denn es gibt ein lautes „POCK!“ und Schnappi fliegt in hohem Bogen in’s Gebüsch. So ist sie wenigstens einmal im Leben Achterbahn gefahren. Ich will noch nachschauen gehen, ob Schnappi noch lebt, wage mich aber nicht zu tief ins Gebüsch, zu sumpfig und meine Boots brauche ich noch. Dann gibt’s halt keine Schildkrötensuppe zum Abendessen...

Heute, Montag, bin ich ziemlich früh wach geworden, wahrscheinlich hat mich die Autokauferei nicht tief schlafen lassen. Also aufgestanden und Kaffee (oder was auch immer diese Brühe sein soll) gekocht. Cool, heute scheint die Sonne, da kann ich die ganze Zeit offen fahren. Ich verstehe viele Cabrio-Fahrer einfach nicht, da zahlen sie viel mehr für viel weniger Auto und lassen das Beste beim schönsten Wetter ungenutzt. Tss, wie kann man nur! Aber vielleicht bin ich auch nur vergiftet, wer weiss?! Doch ich sage Euch, das Gute im Gegensatz zum Töff fahren ist, dass man im T-Shirt (oder auch oben ohne, grins), mit kurzen Hosen und Flip-Flops die frische Luft geniessen kann. Und braun wird man auch noch, he! Ok, Beschleunigung, Kurvenfahren und Wendigkeit sind nicht vergleichbar, für mich aber gilt, einmal Cabrio, immer wieder Cabrio.

Aber zurück zum Autokauf: Eigentlich stelle ich mir einen SUV (moderner Jeep) mit 4-Rad Antrieb und langem Radstand vor. Ein SUV deshalb, weil ich vielleicht in den Nationalparks zusammen mit Motörsister und FasGuido mal von der Teerstrasse runter will und in leichtes Gelände. Da wo nicht so viele Touristen sind und die schönen Plätze noch viel schöner. Ausserdem will ich im Auto schlafen können, das braucht schon etwas Platz, deshalb der lange Radstand. Und tagsüber können die zwei ihr Gepäck bei mir reinwerfen und viel befreiter auf den Töffs hocken. Ausserdem hätte ich gerne einen V8. Nicht nur, weil der nie kaputt geht, und wenn doch, an jeder Ecke Ersatzteile für wenig Geld zu haben sind, sondern ganz einfach auch, weil es der Ami-Motor schlechthin ist. Und ich wollte doch immer mal einen V8er haben... Jetzt ist DIE Gelegenheit!

 Von den Modellen gibt es recht viele hier, das fängt bei GMC (z.B. Yukon) an, geht zu Ford (z.B. Explorer, Excursion, Expedition) über Dodge (z.B. Durango) und Cadillac (z.B. unbezahlbar!) bis hin zu Chevrolet (z.B. Blazer, Tahoe, Suburban). Meine gefundenen Objekte sind ein uralter GMC Yukon (fährt sich gut aber alles klappert und die Farbe ist einfach nur hässlich) für $ 3'300.—, ein Chevy Tahoe (zu teuer, $9'000.—) und drei Chevy Suburbans. Der erste, ein weisser 4x4 mit Loch in der A-Säule, fällt weg. Der zweite, schwarz, 4x4 für $6'700.— ist ganz ok aber recht teuer und noch ein anderer schwarzer für $ 3'950.—. Da funktioniert aber auch kaum was, also und tschüss!

 Ich habe mich schon fast für den teuren schwarzen entschieden, da entdecke ich auf der Gegenseite noch einen dunkelblauen. Ich fahre hin und schaue mir alles an. Leider ist es nur ein 2x2er aber dafür mit mud tires bereift und in bestem Zustand von allen. Ich glaube, ich habe mich schon fast entschieden, denn der kostet einen Tausender weniger als der gute schwarze. Und ausserdem bin ich es leid, durch die Gegend zu fahren und ständig aussteigen, blabla machen, Probefahrt, wieder blabla und wieder einsteigen. Schliesslich muss ich mich noch um Versicherung, Zulassung und neue Inspection kümmern. Aber sicher hilft mir der Dealer dabei. Ich will noch mal darüber schlafen.

Von Guido und Esthi höre ich nicht viel positives. Mal abgesehen davon, dass sie nicht am Flughafen waren (was ich ja schon vermutet hatte), kommen sie einfach nicht richtig vorwärts. Ständig plagen sie sich mit Reifenpannen rum und auch die Regenzeit in Mexiko macht uns allen ein paar gewaltige Striche durch die Rechnung. Zu zweit auf einem Töff mit dem ganzen Gepäck? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Aber ich werde Fotomaterial erstellen...

So, das war’s fürs Erste. Muss mich jetzt auf den Weg machen, der blaue Suburban wartet. Und die Sonne scheint!

Brrrrooooooooooaaaaaaaaaaahhhhhhhhhh........

 

Hell-Pit on wheels

 

meine neue Wohnung! ...Platz zum versauen...